Thema des Tages: Wie die Ermordung von Mahsa Jina Amini den Iran verändert hat

DER STANDARD DER STANDARD 9/16/23 - Episode Page - 30m - PDF Transcript

Ich bin Tobias Holub, das ist Thema des Tages, der Nachrichten-Podcast vom Standard.

Am 16. September vor einem Jahr ist die Iranerin Massa Amini nach ihrer Verhaftung durch die

Iranische Sittenpolizei ums Leben gekommen. Festgenommen wurde sie, weil ihre Kleidung

nicht in Vorstellungen des Regimes entsprach. Die Folge waren Proteste und Aufstände, wie sie

der Iran lange nicht mehr sah. Doch jetzt, ein Jahr später, hört man außerhalb des Landes kaum

noch etwas über diesen Kampf für Frauen und Menschenrechte. Wir sprechen heute darüber,

wie brutal das iranische Regime die Proteste niedergeschlagen hat und ob die Protestierenden

noch Hoffnung haben. Gudrun Harra, du berichtest für den Standard u.a. über den Nahen Osten und

von dort aus dem Iran hören wir seit mittlerweile einem Jahr von sehr großen Protesten, nachdem

die junge Frau Massa Amini ums Leben gekommen ist. Gibt es da jetzt ein Jahr nach Beginn dieser

Proteste noch immer Demonstrationen, wie ist die aktuelle Situation? Also die Proteste,

die großen Demonstrationen sind wirklich von der Straße verschwunden, momentan muss man sagen.

Und zwar nicht, weil sie einfach aufgehört haben, weil die Leute nicht mehr wollten, sondern weil

einfach die Repression so groß war von oben. Also es wurde so brutal gegen diese Demonstrationen

vorgegangen und die Menschen haben so einen hohen Preis dafür gezahlt, dass eben diese riesigen

Demonstrationen weg sind. Wir haben über das Thema auch mit der Iran-Expertin und Geschäftsführerin

von Amnesty International Österreich gesprochen mit Shora Hashemi am Rande einer Pressekonferenz.

Frau Hashemi, Sie beobachten die Situationen für Amnesty ganz genau. Haben Sie da auch

feststellen können, dass sich diese Demonstrationen ein bisschen im Sand verlaufen haben?

Ja, die Proteste auf der Straße haben im Wesentlichen um den Jahreswechsel aufgehört. Im Dezember 2022

haben die ersten Hinrichtungen begonnen nach Schauprozessen. Es wurden junge Männer gehängt,

die an Demonstrationen teilgenommen hatten. Im Jänner kam es zu weiteren Hinrichtungen und ich

glaube, dass diese Hinrichtungen zu sehr viel Angst geführt haben und in weiterer Konsequenz

dann auch dazu geführt haben, dass diese großen Demonstrationen auf den Straßen eigentlich

aufgehört haben. Sie sprechen schon die Todesstrafe an. Man hört ja sehr schlimme Geschichten eben

von Todesstrafe bis Volta, wie das Regime gegen die Demonstrierenden vorgeht. Können Sie das

noch ein bisschen erläutern? Ja, also die Todesstrafe ist ja im Iran generell ein großes Problem. Wir

haben auch als Amnesty im Frühjahr einen großen Bericht herausgegeben, den Jahresbericht zur

Todesstrafe. Und da ist der Iran leider sehr stark hervorgestochen mit einer sehr hohen Zahl,

also 2022 gab es 576 Hinrichtungen im Iran, also Todesstrafen, die vollstreckt wurden. Wir haben

Heuer in den ersten sechs Monaten bis Ende Juli schon 411 Hinrichtungen gehabt, also die Zahl wird

dann für 2023 deutlich höher werden. Das heißt, es ist auf jeden Fall ein Abschreckungsinstrument des

Regimes. Man muss dazu sagen, es wurden nicht alle Leute, die hingerichtet wurden, wegen ihrer Rolle

bei Protesten hingerichtet, sondern auch alte Hinrichtungen sozusagen haben stattgefunden. Aber

es hat auch Leute betroffen, die dafür hingerichtet wurden und Folterung. Also wie gesagt, mit einer

unglaublichen Brutalität hat dieser Staatsapparat zurückgeschlagen. Und was wir aus den Gefängnissen

hören, was Frauen dort teilweise wirklich Vergewaltigung und Folter erdulden müssen, das

ist ungeheuer. Ein Thema, das sehr wenig beleuchtet wurde, finde ich, außerhalb von Amnesty war

das Thema Kinderfolter, das wirklich sehr, sehr junge Menschen, Kinder im Alter von 12 Jahren,

das war das jüngste, in iranischen Gefängnissen im Rahmen dieser Protestbewegung auch festgenommen

wurden und dann gefoltert wurden. Es wurden sogar Kinder, sogenannte weißer Folter, also

psychischer Folter ausgesetzt. Das ist ein Beispiel für Menschenrechtsverletzungen, die von Amnesty

dokumentiert und auch verifiziert werden. Also haben diese Konsequenzen dazu geführt, dass die

großen Demonstrationen auf den Straßen nicht mehr so stattfinden. Heißt das, dass sich dieser

Protest jetzt gar nicht mehr ausdrückt in der iranischen Bevölkerung? Es gibt natürlich andere

Formen des Protests, eben der Zivile ungehorsam ist weiter sehr hoch, unter anderem gehen manche

Frauen eben das Risiko ein, dass sie sich trotzdem noch ohne Kopftuch fortbewegen und riskieren

dadurch sehr, sehr viel. Da sieht man ja auch Bilder, teilweise in den sozialen Medien von iranischen

Frauen, die ohne Kopftuch rausgehen und da trennt sich dann ja so ein bisschen der Eindruck auf,

haben diese Proteste vielleicht was erreicht, dass es mehr Frauenrechte gibt, weil man eben ohne

Kopftuch auf die Straße gehen kann jetzt. Also ich glaube schon, dass diese Meinung, dass es keinen

Sinn macht, den Frauen das Kopftuch aufzuzwingen, in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist und

auch in Kreisen, die eigentlich dem Regime zuzurechnen sind. Es ist vielen jungen Leuten, aber auch

Intellektuelleren einfach nicht mehr wichtig, dass die Frauen das tun. Und trotzdem würde ich sagen,

nein, die Frauen haben nicht mehr erreicht. Eigentlich ist es repressiver als vor einem Jahr.

Es ist irgendwie anders. Also es wurde im letzten Jahr nicht so sehr auf der Straße gegen diese

Frauen vorgegangen, aber die Konsequenzen, die sie tragen mussten, eben andere Strafen oder

zum Beispiel die Verfolgung, sagen wir von Geschäftsleuten, die Frauen ohne Kopftuch

etwas verkaufen und diese Sachen, also die sind viel stärker geworden und das Regime hat ja gerade

in der letzten Zeit wieder angekündigt, dass es diese Regeln noch härter durchsetzen wird. Also nein,

wirkliche Veränderungen gibt es nicht ins Positive, außer dass eben die Gesellschaft einfach sagt,

nein, wir wollen nicht mehr. Seit Beginn der Proteste im Iran hat sich, glaube ich, vor allem die

Haltung der Menschen verändert. Diese Proteste wurden ja sehr stark angetrieben von der ganz

jungen Generation des Iran, eine Generation, die aus meiner Sicht sehr mutig ist, mit ungewöhnlichen

Mitteln arbeitet und wirklich bereit ist auch sehr viel Aufsicht zu nehmen, um für Freiheit zu

kämpfen. Und ich glaube, dass es in den Köpfen der Menschen geblieben, obwohl die großen

Demonstrationen ja schon um den Jahreswechsel herum wieder aufgehört haben. Wenn Sie sagen

junge Generation und eben auch ungewohnte Mittel, dann meinen Sie sicher auch soziale Netzwerke,

die Sie auch sehr genau beobachtet haben, weil da sehr viele Bilder, Videos und Material aus dem

Iran geteilt worden ist in den letzten Monaten. Ist das mittlerweile noch immer so? Es ist natürlich

ein bisschen weniger geworden insgesamt, aber es gibt nach wie vor, obwohl das jetzt schon ein Jahr

her ist das Ganze. Sehr viel Aktivismus in den sozialen Netzwerken. Ich würde sagen,

mangels freie Presse im Iran und aus dem Iran sind die sozialen Netzwerke nach wie vor ja auch die

wichtigste Informationsquelle, sowohl für die Menschen im Iran als auch für die iranische

Diaspora. Das heißt, es gibt noch einen Informationsfluss aus dem Iran hinaus mit vertrauenswidrigen

Informationen? Ja, ich würde sagen, der Informationsfluss funktioniert recht gut, so gut wie alle

Aktivistinnen, aber auch Menschenrechtsorganisationen, die sich mit dem Iran beschäftigen, haben Quellen

vor Ort. Da kommen also sowohl Informationen als auch Videos, als auch Fotos. Es kommt natürlich

weiterhin immer wieder zu Netzdrosselungen, vor allem in bestimmten Gebieten, in den

kurdischen Gebieten, in Belutschistan, wenn dort demonstriert wird. Aber an sich funktioniert

der Informationsfluss. Frau Chemie, Sie haben zu dem Thema, wie gesagt, vor kurzem auch eine

Pressekonferenz abgehalten mit Amnesty International Österreich, wo Sie gefordert haben unter anderem,

dass eben westliche Regierungen auch mehr auf diese Zivilgesellschaft zugehen sollen und dass

es auch rechtliche Konsequenzen geben sollte für die Menschenrechtsverletzungen im Iran.

Am Rande dieser Pressekonferenz konnten wir auch mit der Schauspielerin und Kabarettistin

Nader los sprechen. Sie hat iranische Wurzeln und hat darüber gesprochen, wie wichtig eben

diese sozialen Netzwerke für die Bewegung im Iran gerade sind. Ich glaube, die Protestaktion

kann nur in Zeiten wie diesen stattfinden, wo soziale Medien so eine Präsenz haben,

weil es tatsächlich das Regime alles kontrolliert, welche Nachrichten weitergegeben werden. Es ist

auch unmöglich, offizielle Meldungen zu vertrauen bzw. wenn ich lese, in irgendwelchen Medien laut,

Staatsinformationen bla bla bla, dann denke ich mir wieder, hört es auf. Der Mittelstaat, der

besteht aus Vergewaltigern, Monstern, Folterern. Hört auf, die zu zitieren. Das stimmt auch

einfach nicht. Schaut euch lieber das an, was die Leute, die es betrifft, tatsächlich posten

und erleben. Staatsinformation kriege es solche Kabeln, wie man so schön sagt.

Gudrun Harra, wir haben schon gehört, dass die Meinung in der Öffentlichkeit über Kopptuchzwang

und Ähnliches sich durchaus geändert hat in letzter Zeit und dass das Regime im Iran sehr

brutal vorgeht gegen seine Bevölkerung. Kann man angesichts dessen eigentlich sagen, dass das

Regime dort noch fest im Sattel sitzt? Das ist schwer zu sagen. Also wie gesagt, der Diskurs ist

lauter geworden, auch innerhalb des Regimes, also ganz gewisser Kräfte innerhalb des Regimes. Ob es

fest im Sattel sitzt und was da passiert in der Zukunft, werden wir wissen in dem Moment,

wo der jetzige religiöse Führer Ali Khamenei stirbt. Und ich glaube, das erklärt auch einen Teil

der jetzigen Situation. Also es ist ganz klar, dass wir uns in der letzten Phase seiner Herrschaft

befinden. Er regiert seit 1989, also eine unendlich lange Zeit und das geht zu Ende. Und gerade deshalb,

um das zu managen, zieht das Regime noch einmal ganz, ganz stark die Zügel an. Also auch Khamenei hat

dafür gesorgt, dass er eine Regierung bekommt, die das so durchzieht, wie er will. Aber natürlich

innerhalb dieses Regimes gibt es die Kräfte, die untereinander in Konkurrenz sind. Also theoretisch

ist es schon möglich, dass in dem Moment, wenn Khamenei weg ist, das Ganze in die Luft fliegt. Aber

das Voraus zu sehen ist wirklich fast unmöglich, aber es kann schnell gehen.

Der Rhein ist ja ein theokratischer Staat, wo die Religion so ein bisschen zum Staatssystem

dazugehört. Gibt es da eigentlich so, als wäre eine Opposition, gibt es da Parteien,

die quasi bereit stehen würden, wenn eben das jetzige Regime nicht mehr reagiert,

dass die dann quasi eine progressivere Politik machen würden?

Ja, so etwas gibt es. Das sind die sogenannten Reformkräfte, die aber und denen das auch

vorgeworfen wird, immer Reform verlangt haben mit der Begründung, dass sie die Islamische Revolution,

also diese Islamische Republik erhalten wollen. Und das ist natürlich das, genau das, was die

Menschen auf der Straße und die Frauen nicht wollen. Also die wollen ein anderes System. Es hatten immer

wieder Reformkräfte im Parlament und sogar in der Präsidentschaft die Chance, die Leute auf ihre

Seite zu ziehen durch Reformen, ist ihnen nicht geglückt, muss man sagen. Und die sind jetzt

einfach bei den Menschen unten durch. Also natürlich wirkliche Opposition, also eine starke,

die bereit steht, um zu übernehmen, gibt es nicht sichtbar. Aber ich bin ganz sicher,

also diese Kräfte natürlich gibt es. Und ich sage immer, es ist eine Schwäche dieser Protestbewegung

und zugleich aber eine Stärke, dass diese Leute nicht identifizierbar und eben zu beseitigen

leicht sind für das Regime. Aber so richtige Oppositionsparteien wie bei uns kann man sich

natürlich nicht vorstellen. Frau Schemi, wie erklären Sie sich das, dass es trotz dieser

enorm großen Proteste nicht zu einem größeren Umsturz gekommen ist im Iran bisher? Ich glaube,

es ist nicht passiert, weil das Regime mit sehr viel Brutalität und mit sehr viel Grausamkeit

geantwortet hat, weil es seinen Machtapparat, der ja durchaus stark ist, auch eingesetzt hat.

Das Regime war, glaube ich, letztes Jahr im September zunächst überrumpelt von diesen

Protesten. Man hat natürlich nicht damit gerechnet, dass das passiert. Und nach diesem anfänglichen

ein wenig Zögern haben sie dann wirklich sehr brutal reagiert, tausende Menschen festgenommen und

eben auch gefoltert und hingerichtet. Wir haben damals, also ich war ja auch eine von denen,

die tatsächlich daran geglaubt haben, es wurde das Wort Revolution ausgesprochen oder

revolutionärer Prozess. Wir hatten auch sehr stark den Eindruck, dass die europäische Politik einen

Systemwandel für möglich hält. Das hat sich dann mit dem Jahreswechsel alles wieder gewandelt.

Wir sind gleich zurück.

Was ich nicht nachvollziehen kann, ist, warum an jedem Unrecht immer ich Schuld sein soll.

Ein Korruptionskandal jagt den anderen.

Österreich hat in den letzten 30 Jahren viel über Klimaschutz gesprochen, aber zu wenig getan.

Die Politik verschläft die Klimakrise. Die Behörden haben alles richtig gemacht.

Fehler vergisst man, statt daraus zu lernen.

So sind wir nicht. So ist Österreich einfach nicht.

Aber wie ist Österreich dann? Das wollen wir bei Inside Austria herausfinden.

Wir blicken auf die großen österreichischen Skandale. Von Ibiza bis Ischgl.

Wir wollen wissen, wer dafür in der Politik die Verantwortung trägt.

Und wir schauen genau hin, wo Österreich über seine Grenzen hinaus mitmischt.

Vom Wirecard-Skandal bis zum Ukraine-Krieg.

Das ist Inside Austria von Standard und Spiegel.

Jeden Samstag eine neue Folge überall, wo es Podcast gibt.

Wie gefährlich es ist für Menschen von außerhalb des Irans, wieder dorthin zurückzureisen.

Darüber hat auch der Unternehmer Alima Loci am Rande der Erwähntenpressekonferenz mit mir gesprochen.

Ich habe ihn gefragt, was passieren würde, wenn er, auch er hat iranische Wurzeln, dorthin zurückfliegen würde.

Ich weiß ziemlich genau, dass mir drohen würde, dass man dort meinen Reisepass einbehalten würde,

obwohl ich österreichischer Staatsbürger bin mittlerweile.

Ich weiß, man würde mir dort wahrscheinlich Vorwerfe von Spionage oder Irgendetwas fragen.

Scheinig ist, um ja noch einzusperren, um mich aus einer Art Druckmittel einzusetzen gegenüber den ganzen westlichen Ländern.

Ich weiß, dass es lebensgefährlich wäre.

Deshalb kann ich seit meiner Flucht auch nicht zurückgehen.

Gudrun Harad, das war jetzt nur ein hypothetisches Szenario.

Aber es hat vor kurzem tatsächlich solche Meldungen gegeben,

die zeigen, wie sich der Zorn des iranischen Regimes nicht nur gegen diese Protestierenden richtet, sondern gegen sehr viele Andersdenkende.

Es hat Meldungen gegeben von mehreren Österreicherinnen, die tatsächlich im Iran eingesperrt waren

und nun noch langer Zeit freigelasten wurden und wieder nach Österreich zurückkehren konnten.

Was hat es mit diesen Praktiken auf sich?

Das ist ein besonders grausames und auch ärgerliches Kapitel.

Es ist nämlich so. Für den Iran hat jeder, der einen iranischen Pass besessen hat,

ist Iraner oder Iranerin.

Auch wenn sie die österreichische Staatsbürgerschaft oder welche auch immer annehmen.

Das heißt natürlich, dass Doppelstaatsbürger und Staatsbürgerinnen, die in den Iran reisen, auch das mit iranischen Pass tun

und einfach diese Doppelstaatsbürgerschaft, die existiert überhaupt nicht im Iran.

Und systematisch sehen wir und vermehrt in den letzten Jahren, dass Menschen festgenommen, also verhaftet,

dann vor Gericht gestellt worden mit teilweise völlig absurden Anklagen, also Spionasische für Israel und Deutschland und was so auch immer ist,

schon ganz normal.

Und der Iran benutzt die, um sozusagen die internationale Gemeinschaft zu erpressen.

Sehr oft geht es auch darum, eigene Staatsbürger freizubekommen.

Das war auch in diesem Fall so, den du ansprichst.

Also dafür wurde ein im Belgien inhaftierter iranischer Verurteilter Terrorist freigelassen

oder beziehungsweise in den Iran überstellt.

Und wir müssen leider sagen, es funktioniert.

Also während wir hier sprechen, ist vielleicht gerade ein Riesendiel zwischen USA und Iranien fertig werden,

bei dem es auch um fünf US-Staatsbürger, ich glaube, eine Frau ist dabei, geht

und wo im Gegenzug eben der Iran eigene Leute zurückbekommt und alles andere mögliche auch.

Also es funktioniert.

Und Gott sei Dank, ich glaube, Österreicherinnen sind momentan nicht mehr im Iran inhaftiert,

aber diese zwei Fälle waren absolut schrecklich.

Also eine Verhaftung 2016, also man muss sich das vorstellen.

Und diese Leute haben auch jetzt dieses Jahr fast noch das ganze Jahr im Gefängnis verbracht

beziehungsweise in Terran verbracht.

Zum Beispiel hat das Jahr auch in diesem Ewin-Gefängnis einen Brand gegeben.

Also die waren wirklich an Leib und Leben und an Gesundheit sowieso.

Also beide haben gesundheitliche Schwierigkeiten wirklich gefährdet.

Da sieht man auch, wie extrem das Regime im Iran teilweise agiert.

Und auch wenn wir jetzt von den Protesten ein bisschen wegschauen,

weil ich das richtig verstanden habe, arbeitet die Iran weiter an seinem Atomprogramm

und hört jetzt auch ganz oft von iranischen Drohnen, die an Russland geliefert werden

und im Ukraine kriegt zum Einsatz kommen,

ist das Land gerade so ein bisschen endgültig auf dem Weg in die Isolation oder in Extremismus?

Das sind zwei verschiedene Sachen.

Wir sehen Länder, die auf dem Weg in Extremismus sind und trotzdem nicht isoliert sind.

Und wie ich sage, die USA machen trotzdem jetzt einen Deal mit dem Iran

und auch Österreich hat natürlich, und das verstehe ich völlig,

auch aus Standpunkt der Angehörigen die zwei Gefangenen sehr gern zurückgenommen.

Aber wir müssen auch sagen, auch geopolitisch oder regionalpolitisch

ist der Iran nicht mehr isoliert als vor einem Jahr.

Das wäre einfach eine Illusion, das zu behaupten.

Es gibt einen Normalisierungsprozess mit dem Erzrivalen in der Region,

mit Saudi-Arabien, aber es gibt auch andere ganz wichtige Sachen,

wie das zum Beispiel Iran mit Glitter Bricks starten werden soll.

Also überhaupt keine Rede davon, dass jetzt Iran da einfach von allen Staaten der Welt isoliert wäre.

Das tun, wie gesagt, nicht einmal wir im Westen.

Und erklärst du dir das mit dieser Drohenden Atomgefahr?

Ein Grund dafür ist natürlich das Atomprogramm.

Also der Iran hat ein Urananreicherungsprogramm

und sie treiben dieses Urananreicherungsprogramm vorwärts in eine Richtung,

die eigentlich mit zivilen Zwecken nicht mehr zu erklären ist.

Aus angereichertem Uran kann man entweder Brennstoff für AKWs herstellen

oder eben auch Atombomben.

Jetzt ist es nicht so, dass der Iran jetzt Uran produziert für Atombomben,

aber er setzt sich selbst in die Lage.

Also er ist sehr, sehr weit und er kann das.

Und dadurch weckt er natürlich oder erhält das Interesse der internationalen Gemeinschaft aufrecht,

irgendeine Lösung für dieses Atomprogramm zu finden.

Und auch ich sehe das als sehr, sehr wichtig an.

Wir können nicht einfach sagen, okay, das ist uns jetzt egal,

ob die da jetzt auf 60% oder auf 80% oder auf waffenfähige Suran anreichern,

sondern man muss irgendwie versuchen, das in den Griff zu bekommen

und wir wissen es noch nicht.

Aber es könnte sein, dass das auch Teil dieses Deals mit den Amerikanern,

das jetzt im Wert ist, dass der Iran irgendwelche Zugeständnisse macht den Amerikanern

und sagt, okay, ich reichere nicht mehr auf 60% an oder irgend sowas.

Ich hoffe es sehr.

Frau Aschemi, wie beurteilen Sie den Umgang der internationalen Gemeinschaft mit dem Iran in letzter Zeit?

Ich würde sagen, dass die Unterstützung für die Freiheitsbewegung leider in den Hintergrund gerückt,

ich glaube, dass die internationale Staatengemeinschaft im Moment eher darauf aus ist,

irgendeine Form von Deal, ein Abkommen mit dem Iran zu schließen,

um das Atomprogramm in irgendeiner Form in Schach zu halten.

Und leider habe ich das Gefühl, und ich glaube, viele andere auch,

vergisst man ein bisschen auf diese Freiheitsbewegung.

Sticht es richtig, Sie würden sich einen strengeren Umgang mit dem Iran wünschen

und mehr Unterstützung für die Aktivistinnen und Aktivisten dort?

Ja, ich würde mir sehr viel mehr Unterstützung wünschen.

Nicht nur, weil es um die Freiheit der Menschen dort geht,

sondern weil das natürlich auch geopolitisch wichtig ist.

Man darf nicht unterschätzen, ein freier Iran,

ein Regime, das nicht Konflikte überall auf der Welt mitfinanziert und mitorganisiert,

ist natürlich für die ganze Region ein Segen.

Und ich glaube, man könnte es auch aus diesem Blickwinkel betrachten.

Gudrun, was denkst du, wie sich jetzt die internationale Gemeinschaft verhalten sollte,

um eben einerseits dieses Atomprogramm einzudämmen

und langfristig aber auch die Menschen dort zu unterstützen, diese Bewegung?

Ja, eben, das ist es. Wir sind wirklich in einem furchtbaren Dilemma

und teilweise an den Grenzen.

Es wird versucht natürlich, sehr wohl auch die einzelnen Gruppen,

die an der Niederschlagung dieser Proteste beteiligt sind,

wirklich zu sanktionieren und zu bestrafen.

Also es gibt Sanktionen und die werden einfach härter.

Also das wird immer wieder auch sehr stark von der EU nachgeschärft.

Ich kann sehr, sehr gut verstehen, dass das den iranischen Aktivisten

und Aktivistinnen im Ausland viel zu wenig weit geht.

Also die sagen, das ist eine halbherzige Geschichte.

Wie gesagt, vollen Respekt für diese Position,

aber es hat mir noch niemand einfach sagen können, was wir jetzt tun sollen,

um diesen Atomwahnsinn zu stoppen, also ein neuer Krieg in der Region,

den Iran anzugreifen, dagegen haben auch die regionalen Staaten etwas.

Darum hat ja zum Beispiel Saudi-Arabien diesen Weg der Diplomatie mit dem Iran beschritten,

weil sie gesehen haben, nur durch Druck und durch Feinschaft haben sie nichts erreicht.

Also wir versuchen, dieses Atomprogramm eigentlich seit 2003 in Griff zu bekommen

und jetzt 20 Jahre später haben wir eben nichts.

So eine sehr schwierige Frage, weil wir heute wahrscheinlich nicht die Antwort finden werden.

So ist es.

Wenn wir jetzt nochmal auf den Anlass für unser Gespräch auf Massaminie wieder zurückkommen,

am Samstag wird sich der Todestag zum ersten Mal jähren.

Denkst du, dass es da jetzt wieder große Proteste geben mit dem Iran?

Also es würde mich wundern, wenn gar nichts stattfindet.

Zum Beispiel die Familie hat ja zu einer friedlichen Versammlung aufgerufen am Grab

und es gibt auch sogar Stimmen innerhalb des Regimes, die sagen,

na, lassen wir sie halt, also dass das kontraproduktiv wäre, da einzugreifen.

Aber ich bin mir ganz sicher, wenn irgendwo sich wirkliche Proteste und Demonstrationen formieren,

schreiten die ein.

Aber dass der Tag völlig vorübergeht, ohne dass man irgendwas hört,

kann ich mir in diesem Moment schon schwer vorstellen.

Frau Hashemi, wie schauen Sie auf diesen Jahrestag

und auf die vermutlichen Proteste, die es wieder geben wird?

Ich habe Sorge natürlich auch.

Ich habe Sorge, dass massive Menschenrechtsverletzungen wieder stattfinden,

dass Menschen erschossen werden, dass sie festgenommen werden.

Wir haben ja schon Präventivverhaftungen im Sommer erlebt, zahlreiche.

Also muss man sagen, dass sich das Regime im Iran quasi vorbereitet hat auf neue Demonstrationen?

Ja, ich glaube, das Regime hat tatsächlich ein bisschen Sorge,

dass diese Bilder des letzten Jahres um die Welt wiedergehen könnten,

also ähnliche Bilder wie im letzten Jahr.

Und um das zu vermeiden, haben sie vorgearbeitet,

haben sie im Laufe des Sommers Menschen festgenommen,

Menschen unter Druck gesetzt, Drohungen ausgesprochen,

Studierende haben Briefe erhalten,

in denen ein Mitgeteid wurde, dass sie suspendiert werden,

wenn sie an diesem Jahrestag protestieren.

Also das Regime bereitet sich um Fasseln vor.

Wir haben heute gehört, wie brutal das Regime im Iran vorgeht gegen die Demonstrierenden.

Die Demonstrationen auf der Straße sind weniger geworden über die letzten Monate.

Man kann auch nicht sagen, wie groß sie jetzt wieder werden.

Gudrun Harra, Shura Hashemi, zum jetzigen Zeitpunkt,

hat diese Bewegung im Iran etwas erreicht?

Ist sie gescheitert oder hat sie noch Hoffnung?

Ja, sie hat innerhalb der Gesellschaft etwas erreicht.

Also eben, dass auch Gesellschaftsschichten,

die zuerst einfach vielleicht nicht daran gedacht haben,

jetzt mehr akzeptiert, dass junge Frauen das nicht mehr so leben wollen.

Sie hat natürlich im Ausland Aufmerksamkeit erreicht

und mehr Sensibilität, wenn auch nicht in dem Ausmaß,

in dem sich das die iranische Diaspora bestimmt gewünscht hätte.

Sie hat nicht jetzt im Sinne reicht, dass das Regime sich geändert hat

und gesagt hat, wir sind auf dem Holzweg, wir müssen etwas anderes machen.

Dass sie so brutal werden, habe ich mir auch nicht gedacht,

weil am Anfang fand schon auch noch mehr diese Unstimmigkeiten,

wie sollen wir darauf reagieren und was sollen wir machen,

fand ein bisschen mehr dem Weg nach außen.

Also gesellschaftliche Veränderungen, ja, politische Veränderungen, nein,

aber diese politischen Veränderungen warten nur auf den richtigen Moment

und der könnte eben einfach bei einem Wechsel der religiösen Führung gekommen sein.

Ich sehe durchaus Hoffnung, ich bin mir nicht sicher,

ob die Bewegung wieder Fahrt aufnimmt im Sinn von Massendemonstrationen

über Monate, weil das Regime eben vorbereitet ist

und dass sich ja wieder brutal niederschlagen wird.

Aber ich sehe Hoffnung im Zivilen ungehorsam.

Der ist da, der war das ganze Jahr über da.

Ich sehe vor allem auch Hoffnung bei den Frauen.

Ich glaube, die Frauen weigern sich weiterhin, diese gesetzliche Kopftuchpflicht einzuhalten

und das sind so die Punkte, wo ich Hoffnung auch habe,

vor allem in diese junge Generation.

Zu diesem ersten Jahrestag des Todes von Mass Amini,

ist es auf jeden Fall wichtig, dass auch international alle Augen in den Iran schauen,

auf diese potentiellen Menschenrechtsverletzungen.

Man kann zu diesem Thema auch noch ganz viel mehr lesen

auf der Standard.at oder auch in der gedruckten Seite im Standard über dieses Wochenende.

Vielen Dank für alle diese Einblicke und Meinungen

an alle meine Interviewpartnerinnen und Interviewpartner heute.

Wir sind gleich zurück.

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Ich bin Alicia Prager und ich bin Jula Bayra.

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Jeden Freitag gibt es eine neue Folge, überall wo es Podcasts gibt.

Wir sind am Ende dieser Sondersendung von Thema des Tages zum Todestag von Mass Amini

und den Protesten im Iran.

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ausprobiert haben, namens TDT oder Thema des Tages Shorts,

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Ich bin Tobias Holub und an dieser Folge haben außerdem

Antonia Raut und Schold Wilhelm mitgearbeitet.

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Ein Jahr nach der Ermordung einer jungen Kurdin im Iran ist die Regierung noch immer an der Macht. Hat sich das Land trotzdem verändert?

Am 16. September vor einem Jahr ist die Iranerin Mahsa Amini nach ihrer Verhaftung durch die iranische Sittenpolizei gestorben. Festgenommen wurde sie, weil ihre Kleidung nicht den Vorstellungen des Regimes entsprach. Die Folge waren Proteste und Aufstände, wie sie der Iran lange nicht mehr sah. Doch jetzt, ein Jahr später, hört man außerhalb des Landes kaum noch etwas über diesen Kampf für Frauenrechte und Menschenrechte.
Im Podcast berichtet Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International, wie brutal das iranische Regime die Proteste niedergeschlagen hat.  STANDARD-Nahost-Expertin Gudrun Harrer analysiert, ob es für die Protestierenden noch Hoffnung gibt. (red, 16.9.2023)