Verbrechen: Der Fall Dieter Wedel, Teil 1: Im Zwielicht
ZEIT ONLINE 2/21/23 - Episode Page - 53m - PDF Transcript
Liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer, ganz herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts
Zeitverbrechen, bei dem wir uns mit einem ganz großen Beschäftigen wollen, einem überdimensionalen,
einem Großkünstler, einem der Fernsehgeschichte gemacht hat, einem der mit drittem Namen Cäsar
heißt, was ich schon sehr sprechend finde, Sabine. Und wir verraten schon jetzt, eine Folge wird
nicht reichen. Eine Folge wird nicht reichen und es kann ja auch sein, dass er ein ganz großer
Übeltäter ist und darüber werden wir uns auch unterhalten. Auch darin hat er überdimensionale
Dimensionen. Ja, aber bevor wir loslegen. Ja genau, ich wollte gerade sagen, nie hat das Wort
Cliffhanger so gut gepasst wie jetzt, weil bevor wir anfangen, hast du noch ein neues Heft vor dir
liegen? Ja, ich habe ein neues Heft vor mir liegen. Es handelt sich um das neue Kriminalmagazin,
das eben gerade vor einer knappen Woche erschienen ist. Diesmal zum Thema die Nachbarschaft. Die
Nachbarschaft ist ja ein ewiger Born des Ärgerstes, Hasses und irgendwann auch des Verbrechens. Und
genau mit dieser Thematik beschäftigt sich dieses Heft. Ich kann daraus jetzt einige Kleinigkeiten
empfehlen, aber es ist eigentlich insgesamt ein fantastisches Heft. Auch wieder optisch ein
Wahnsinn, was da die Artdirektion geleistet hat, die Julia Steinbrecher. In der Hauptgeschichte geht es
unter anderem um ein Fall eines Mannes, der über Jahre seine Nachbarn terrorisiert und dem niemand
entgegentritt und die Nachbarn, die von ihm terrorisiert werden, finden niemanden, der ihm
irgendwie das Handwerk legt, bis er zu irgendeinem Zeitpunkt einen ahnungslosen Gerichtsvollzieher
tötet. Und dann auf einmal sind alle erschrocken und sagen, ja, wir haben es ja kommen sehen. Eine
andere Geschichte, die sehr tragisch ist und aber großartig aufgeschrieben von unserem Autor
Josef Salla mit dem Titel Leben nach Thea. Und es geht um eine Frau, die mit ihrer Tochter über die
ermordete kleine Schwester spricht, die lange Zeit missbraucht worden ist von einem Verwandten dieser
Mutter und die dritte im Bunde, die mit ihnen spricht, ist die Tochter dieses Mörders. Ihr Vater
sitzt im Gefängnis lebenslang, weil er das kleine Mädchen umgebracht hat und sie spricht mit den
beiden Hinterbliebenen dieser umgebrachten Thea. Ich kann die journalistische Arbeit nur mutmaßen,
die allein dahinter steckt, dieses Treffen möglich zu machen. Unglaublich, unglaublicher Aufwand und
unglaubliche Einfühlsamkeit hat er da walten lassen, um dieses Gespräch zu ermöglichen. Dann haben
wir natürlich auch die kleinen Verbrechen von Ursula Merz. Ja, ich freue mich drauf. Ja. Die
Miniaturen. Eine verrückte Reihe über verurteilte Tiere. Früher hat man ja auch Tiere verurteilt,
die Verbrechen begangen haben oder das, was man unter Verbrechen versteht. Man hat also
zum Beispiel einen Elefanten getötet, der seinen Domtör zertrampelt hat. Wenn man aber genauer
hinschaut, dann hat der Domtör das auch mit allen Mitteln heraufbeschworen, dass der Elefant
ihn zertrampelt. Aber das ist... Du meinst, der Elefant war eigentlich rundschuldig. Der Elefant
hat sie in Notwehr gehandelt, in meiner Meinung nach. Aber das kann dann der Leser und die Leserin
selbst entscheiden. Und demnächst stehen dann Maschinen vor Gericht, weil wir ahnen, ja,
Maschinen fangen an zu denken, entwickeln ein Bewusstsein und wir erinnern uns an einen
berühmten Computer in einem Film, Hell, der eine Mannschaft umgebracht hat. Das ist tatsächlich.
Also wird ja in Juristenkreisen jetzt auch in letzter Zeit mehr und mehr natürlich noch als
Fantasie ventiliert. Aber demnächst wird es ein Problem sein, wenn ein Computer zum Beispiel
beim selbst fahrenden Auto einen Fahrfehler macht, jemanden umnietet. Wer ist schuld?
Apropos Filmsabine, wir könnten an dieser Stelle mit unseren Zuhörerinnen und Zuhörern ein kleines
bisschen in eine geheimnisvolle Zukunft gucken. Willst du sie mal auflösen? Ja, wir werden
verfilmt, Andreas. Ja, unser Podcast, also nicht du und ich, wir kommen da nur sehr bedingt vor,
sondern eigentlich eher unsere Geschichten. Unsere Podcast-Recherchen werden in Spielfilme
umgewandelt werden und für das Publikum, für unser Publikum, vielleicht aber auch noch für
ein anderes Publikum zu sehen sein. Und zwar auf dem Streamingdienst Paramount Plus. Ein neuer
Streamingdienst. Die Leute, die uns verfilmen, sind ganz berühmt. Das handelt sich nämlich um die
Produktionsgesellschaft X-Filme. Babylon Berlin, sage ich. Genau. Babylon Berlin kommt aus deren
Maschinenraum und jetzt eben auch wir. Und sie haben sich mit jungen Regisseuren vier Folgen
herausgesucht. Erstmal für den Anfang, zunächst sozusagen. Ich sag aber jetzt nicht welche. Ich verratet
dir nicht, welche es sind. Aber sie haben sich viel rausgesucht und im Vorgespräch war klar, es soll
nicht Tatort werden. Es sollen jetzt keine von einer echten Geschichte inspirierte Tatorte sein,
auf keinen Fall. Sondern es werden andere Filme, Kriminalfilme, ernste Filme und es wird eine
überraschende Verfilmung, ebenso wie unsere Podcast-Folgen hier überraschend sind. Ich habe
übrigens mal gefragt, ob wir beide bei der einen oder anderen Aufnahme mal durchs Bild laufen,
so als älteres Ehepaar. Ach so, ja. Was sagst du dazu? Das machen wir. Und sie können uns dann
schreiben, ob sie uns gefunden haben. So wie Hitchcock. Gut. Ja, gedreht wird auch schon. Und
ja, in wenigen Monaten geht es los. Jetzt aber vom Film zum Fernsehen und da tief in die bundes
republikanische Fernsehgeschichte. Und wenn ich an die bundesrepublikanische Fernsehgeschichte denke,
dann denke ich vor allem an einen Augenblick. Bundeskanzler Willy Brandt, ein schwarz-weiß
Bild im Fernsehen. Der drückt einen grauen Knopf und plötzlich ist der Knopf rot. Und das ist der
Staat des deutschen Farbfernsehens. Um diese Zeit herum wird der Mann ganz groß, über den wir
jetzt reden wollen, Dieter Karl Cäsar Wedel. Großer Regisseur erfolgreich mit Fernsehmehrteilern,
die Gassenhauer waren. Und hat den Namen Cäsar sehr ernst genommen. Goldene Kameras,
Grimmepreis, Bambi, Bundesverdienstkreuz. Dem Mann konnte keiner was und er durfte alles. Und alle
Fernsehsender lagen ihm zu Füßen und haben ihm die Schuhe geküsst. So, und jetzt muss ich dir was
fragen. Müssen wir jetzt erst, bevor wir diese Geschichte erzählen, nochmal einmal rüber über
den Atlantik und nach Hollywood gucken und über HW Weinstein reden? Ich würde sagen,
das machen wir hinterher. Wir stellen erst mal unsere Gäste vor. Ja, so machen wir es. Wir haben
zwei Gäste da, beziehungsweise Neudeutsch, zwei Gästinnen. Und das ist Jana Simon, unsere Autorin
und Reporterin. Und Annabel Warbar, ebenso aus dem Zeitmagazin, eine Reporterin. Die beiden
haben vor fünf Jahren eine riesige Recherche angefangen, zu der auch weitere Autoren noch
dazu gestoßen sind. Das war am Schluss eine richtige Reportergruppe, die da losgezogen ist,
weil der Fall sich in unglaubliche Dimensionen aufgebläht hat. Aber mit diesen beiden Gästen,
die wir heute haben, ging es los. Und ich begrüße euch und frage euch, wie seid ihr damals auf
den Fall Dieter Wedel gekommen? Ja, also ich freue mich auch sehr, hier zu sein. Und das ging
damals los. Also man muss vielleicht doch ein bisschen früher anfangen. Also Weinstein,
Harvey Weinstein, der große Hollywood-Produzent, das war im Herbst 2017, das ein Artikel in der
New York Times erschien und ein Artikel im New Yorker. Da haben mehrere Schauspielerin, Frauen,
auch Mitarbeiterinnen von ihm, ihm vorgeworfen, dass er sie sexuell genötigt oder sogar vergewaltigt
hat. Daraufhin entstand die Mitu-Bewegung. Das kam natürlich auch in Deutschland an. Ich und
Annabelle hatten beide damit eigentlich nichts zu tun. Wir hatten weder darüber berichtet über die
Mitu-Bewegung noch, hatten wir jemals über Wedel geschrieben. Annabelle hat einmal ein Interview
mit ihm geführt am Telefon. Ich hatte nie in meinem Leben mit Wedel zu tun. Dann war es so... Ich
habe mal mit ihm zu tun gehabt. Ich habe ihn mal zu Hause besucht, kann ich nachher erzählen. Sehr
gut. Also wir kannten ihn tatsächlich überhaupt nicht, natürlich als Regisseur, aber eben hatten
nie zuvor mit ihm zu tun. Dann kam über den damaligen Anwalt von Johnny Temple. Und Johnny
Temple ist sozusagen unsere erste Zeugin und über diesen Anwalt kam die Geschichte zur Zeit.
Das heißt, wir sind dann, also Annabelle und ich, haben dann einen Termin gemacht eben mit Johnny
Temple und ihrem Anwalt und haben in Berlin uns in einer Kanzlei getroffen. Das war im Herbst
2017. Und dort war dann das erste Treffen. Also ich kann mich da noch ganz gut daran erinnern. Wir
saßen in einem großen Raum und Johnny Temple kam da rein und hat sozusagen das erste Mal uns
ihre Geschichte erzählt. Und zwar hat sie eben dort erzählt, dass sie 1996, sie war Schauspielerin
gewesen. Also sozusagen zu dem Zeitpunkt 1996 war sie 27. Und da habe eben Wedel sie auf ein
Vorsprechen eingeladen. Und dieses Vorsprechen fand im Hotel vier Jahreszeiten in München statt.
Das hat sie uns erzählt. Und dort fand dieses Treffen in dem Hotelzimmer von Wedel statt.
Ja, das war aber nicht irgendein Anwalt. Das war ein ziemlich bekannter Medienanwalt, der viele,
viele Prominente vertritt. Also gerade Menschen, die im öffentlichen Leben stehen. Ja, das war
Christian Scherz. Das war der damalige Anwalt von Johnny Temple, der ein sehr bekannter Presserechtler
ist. Wir hatten kannten beide natürlich Johnny Temple nicht. Hatten sie nie zuvor gesehen. Sie
kamen da rein. War zu dem Zeitpunkt glaube ich Ende 40, wenn ich mich richtig erinnere. Ich glaube
Ende 40. Und auch eher hinter der Kamera als vor. Da kam er auch. Oder ist Fotografin. War gar nicht
mehr aktiv. Also sie war nicht mehr aktive Schauspielerin, sondern hatte eben dann gewechselt
hinter die Kamera. Und der erste Eindruck war eben, wir saßen da und sie begannen tatsächlich
ziemlich schnell zu erzählen, was ihr passiert ist mit Wedel. Und das war so, dass eben 1996
hatte Wedel sie zu einem Vorsprechen eingeladen ins Hotel vier Jahreszeiten in München. Da hat
sie sich sehr drüber gefreut, weil es versprach, eventuell wäre das eine große Rolle mit Wedel
zu arbeiten. Hat sie sich natürlich ganz wunderbar vorgestellt. Und vielleicht ist es der Durchbruch.
Also für sie als Schauspielerin damals 27 noch sehr jung, war das wirklich eine große Chance. Also
so hat sie es uns damals erzählt. Wir müssen vielleicht noch einmal klarmachen, weil wir auch
relativ viele sehr junge Zuhörerinnen und Zuhörer haben, wer dieser Liter Wedel zu diesem Zeitpunkt
ist. Der hat seinen ersten Durchbruch 1972 einmal im Leben. Hieß da ein Dreiteiler und der beschrieb
Wir erinnern uns dran. Wir beide haben es damals als Kinder gesehen. Ja, ich fand es langweilig,
ehrlich gesagt. Ich war sechs Jahre alt und mich haben andere Dinge viel mehr interessiert. Ich
hatte mich an Bonanza oder Raumschiff Enterprise. Das fand ich viel spannender. Aber diese
bundesdeutsche Bevölkerung damals, für die war das total elektrisierend. Das war so das
Lebensthema. Eine Familie baut ein Eigenheim und wird von allen so übers Ohr gehauen. Vom Bauunternehmer,
von der Bank. Alles geht schief. Alles wird teuer. Man kennt das. Wie im richtigen Leben. Wie im
richtigen Leben. Und das war ein Straßenfeger. Also Einschaltquote, ARD bei einzelnen Teilen bis
68 Prozent. Mehr als zwei Drittel aller Fernsehzuschauer haben das gesehen. Na gut, es gab auch nur drei
Programme. Also die Auswahl war gering. Aber das war sozusagen die Geburtsstunde des großen Wedel
und so ging es weiter. Verträge mit allen Fernsehanstalten, mit dem ZDF, mit unterschiedlichen
ARD-Anstalten. Immer wieder drei Teiler, sechs Teiler, acht Teiler. Also große Projekte. Ich muss
sagen, ich habe dann später den Dieter Wedel auch gerne gesehen. Also der Bellheim, den fand
ich auch noch etwas langweilig. Aber der Schattenmann war großartig. Schattenmann ist ein ganz toll,
er hat ja mehr oder weniger die Serie entdeckt. Es hat es ja damals nicht gegeben. Serien,
was wir heute am Netflix uns rein pinchen, das hat es damals nicht gegeben. Damit hat er angefangen.
Ich würde gerne sagen, dass Helmut Dietl immer vergessen wird. Stimmt natürlich. Also die sind
natürlich überhaupt nicht vergleichbar, weil das ein komplett anderes Genre ist. Aber Helmut Dietl war
derjenige, der glaube ich in der Zeit auch eher die jüngere Generation angesprochen hat mit seinen
Serien. Und das sind ja Serien, die bis heute kult sind und legendär. Und das hat Dieter Wedel nicht
geschafft. Zum Beispiel? Der ganz normale Wahnsinn, Münchner Geschichten, Monaco Franze. Monaco
Franze kann man sich übrigens auf Netflix angucken. Der hat es inzwischen nach Netflix geschafft. Ich
habe ihn mir kürzlich angeguckt. Er ist bezaubernd. Aber jetzt haben wir, glaube ich,
hinreichend diese Fallhöhe hergestellt zwischen einer jungen Schauspielerin, die ihre riesige Chance
widdert und dem Mann, der im Hotel um ihren Besuch bittet. Ja, das muss man sich, glaube ich,
wirklich so vorstellen. Sie war wirklich, glaube ich, sehr ehrfürchtig, als sie dahin gegangen ist.
Und tatsächlich war das Vorsprechen im Hotelzimmer, was sich natürlich etwas merkwürdig
erstmal anhört. Für sie aber damals, sie hatte uns gesagt, sie hat sich jetzt nichts weiter dabei
gedacht und hat da eben angeklopft. Und dann öffnete ihr Dieter Wedel im Bademantel. Also so hat
sie uns das damals das erste Mal erzählt. Und da hat sie gesagt, soll ich vielleicht später wieder
kehren. Und er meinte eher, nein, nein, kommen Sie rein. Dann ist sie reingegangen, hat sich dort
auf das Sofa gesetzt und sollte, er hat ihr ein Drehbuch in die Hand gedrückt. Das ging um ein
Vorsprechen für den König von St. Pauli. Und dann hat sie da gesessen und hat das Drehbuch gelesen.
Er kam wieder, hatte immer noch ein Bademantel an, setzte sich neben sie und rückte immer näher ran.
Sie wollte aufspringen und hat gesagt, lassen Sie mich, hat versucht sozusagen zur Tür zu kommen
und zu fliehen. Und das, so hat sie es uns erzählt, hat sie eben nicht geschafft, sondern das hat sie
dann später auch nochmal mehrmals gesagt. Dann hat er sie eben mit Wucht gepackt und gegen die
Wand gepresst. Er hat sie angeschrien. Sie wüsste doch, wer er sei. Wenn sie eine Rolle bei ihm
wolle, dann müsse sie auch etwas für ihn tun. Und das heißt, dann hat er sie oft spät geworfen. Sie
konnte sich nicht wehren, konnte nicht entfliehen und so weiter. Ich würde gerne noch auf eine
Sache hinweisen, die ich ganz wichtig finde. Und zwar dieser Einladung. Das war ein Casting und
die Einladung kam von der Bavaria Film. Das war ein ganz offizielles Casting, das über die
Agentin von Johnny Temple sozusagen in die Wege geleitet wurde. Also nichts zwischen Tür und
Angel. Es war ein offizielles Schreiben und es war klar, es findet im Hotel vier Jahreszeiten
statt und sie hat uns das so erklärt, der Grund, warum sie sich dabei nichts gedacht hat, ist,
dass das durchaus üblich ist, dass Castings in Hotels stattfinden. Aber normalerweise sind
dann natürlich, ist da die Casterin anwesend oder ein Kameramann oder Kamerafrau, da sind andere
Leute anwesend. Und die Überraschung war dann, die, als sie eben angeklopft hat und ihr ihrem
Bademantel aufgemacht hat. Man darf auch nicht vergessen, dass diese Zeit der 90er, also das wurde
ja oft später gesagt, den Frauen vorgeworfen und sie haben es zum Teil selber ja auch gesagt,
wie dumm war ich, dass ich zu einem Interview in ein Hotelzimmer gegangen bin, zu einem Vorsprechen.
Natürlich kann man sagen, warum hat sie das gemacht? Spätestens in dem Moment, wo er im
Bademantel öffnet, wo ein Mann im Bademantel öffnet, würde man sich natürlich auch denken,
okay, ich gehe da nicht rein. Aber es war eine Zeit. Also sie sagt, er habe ihr damals auch
gesagt, ja, wir beim Film, wir sind ja auch locker, jetzt kommen sie doch rein, wir sind doch hier
nicht so eng. Das darf man glaube ich nicht vergessen, dass auch eine Schauspielerin, wenn sie
sozusagen eine Rolle haben wollte, da können wir später dann nochmal genauer drauf eingehen,
wie überhaupt die Mechanik in der Filmbranche ist, auch bereit ist, wahrscheinlich so was,
also erst mal darauf einzugehen und sich darauf einzulassen. Wir dürfen uns aber auch nicht so sehr
auf den Film fokussieren. Das war auch ein entsetzliches Zeitgeschehen im Nachhinein betrachtet.
Ich erinnere mich auch an einen großen deutschen Chefredakteur, der seine Sekretärin nach Hause
bestellt und ihr im Bademantel öffnet. Das gab's wie Sand am Meer. Es gab's wie Sand am Meer. Das
gab's in allen Zeitungen so. Aber all diese Szenen haben, wenn ich jetzt mal als juristischer Laie
einmal juristisch nachfragen darf, doch ein Problem. Es gibt keine Zeugen. Es gibt die Frau,
die sagt so war's und es gibt den Mann. Wir werden nachher darauf kommen, Dieter Wegel hat
eidesstattliche Erklärungen abgegeben und hat gesagt, so war's nicht. Der behauptet das Gegenteil.
Hattet ihr vom ersten Moment an das Gefühl, die Frau ist glaubwürdig, das ist jetzt keine Geschichte,
hier gibt's keine Rachomotive oder sonst irgendwas im Nachhinein, sondern die erzählt
einfach ganz klar eine nachvollziehbare und glaubwürdige Geschichte. Wir antworten gleich auf
die Frage, aber sollten vielleicht nochmal kurz den Fall zu Ende erzählen, also so wie sie ihn
uns geschildert hat. Und zwar, sie hat es so geschildert, dass Wedel sie eben festgehalten hat. Jana
hatte auch schon erzählt, also er hat sie gegen die Wand gepresst. Sie ist nicht mehr rausgekommen
aus dem Zimmer. Sie hat versucht zu fliehen. Sie hatte zu uns damals gesagt, ich hätte Karate
können müssen, um da wieder rauszukommen. Sie habe dann noch bitte nicht gerufen und Dieter
Wegel habe sie dann aufs Bett geworfen und zu ihr gesagt, je mehr sie sich wäre, umso aufregender
sei es für ihn. Sie konnte sich bei diesen Treffen nicht mehr hundertprozentig erinnern, wie ihre
Kleidung von ihr gekommen ist, aber er hat sie aufs Bett geworfen und hat aber dann auch relativ
schnell gemerkt, so wie sie es uns geschildert hat, dass sie jetzt einfach versuchen will,
das so schmerzfrei wie möglich über sich ergehen zu lassen. Und er hat sie dann, so wie sie das
schildert, vergewaltigt und danach ist sie dann eben heiß über Kopf aus diesem Hotelzimmer geflohen.
Also wir haben es vorher schon mal auch angesprochen, Dieter Wedel bestreitet, dass das so stattgefunden
hat. Also steht immer Aussage gegen Aussage, bei jeder Geschichte, die wir jetzt hier erzählen.
Also da gab es nie Zeugen, die wirklich dabei waren, sondern es steht immer Aussage gegen
Aussage. Als wir Annabelle und ich das eben das erste mal gehört haben von Janie Tempel,
diese Geschichte sind wir raus aus dieser Kanzlei und ich weiß, wir standen da auf dem Kuhdamm
und ich war eigentlich ziemlich ratlos, weil ich dachte, was machen wir denn jetzt mit dieser
Geschichte? Also das ist eine Frau, die uns also doch eine sehr harte Geschichte gerade erzielt hat,
aber wir können nicht mit einer einzigen Frau, mit der Geschichte, wo wir noch gar nicht wissen,
das muss natürlich komplett nachgeprüft werden, man muss mit ganz vielen Leuten aus dem Umfeld
reden. Mit dieser einen Geschichte können wir nichts machen, damit können wir nicht raus,
weil das reicht einfach nicht. Ja und dann haben ich und Annabelle uns wirklich lange darüber Gedanken
gemacht, was machen wir das jetzt? Also erstens tritt sie mit Namen auf. Darum ging es auch eine
ganz lange Zeit sozusagen, also uns war glaube ich beiden immer klar, wir machen das nicht,
wenn die Frauen nur anonym damit rausgehen, weil das kann man nicht machen, wenn man die
da wedel mit Namen und allem nennt, dann müssen auch die vermutlichen Opfer sich dann trauen,
eben mit ihrem Namen rauszugehen, weil sonst gibt es dann Ungleichgewicht, dann können wir das,
also haben wir uns damals beide gesagt, dann würden wir das auch nicht machen und dann ging
eben die Frage los, erst mal gibt es überhaupt noch andere oder ist es einmalig passiert?
Also und dann haben wir eben versucht, das herauszufinden, haben sehr viel erst mal in dem
Umfeld von Johnny Tempel recherchiert, um herauszufinden, erzählt sie die Wahrheit. Also dann haben wir
zum Beispiel die Psychologin von ihr getroffen, also Johnny Tempel hat sie der Schweigepflicht
im Bunden, da haben wir mit ihr geredet, der hatte sie diesen Vorfall auch geschildert,
schon Jahre zuvor, dann gab es ein Buchmanuskript, auch dort hat Johnny Tempel das schon geschildert,
das war auch Jahre zuvor, dann haben... Das war aber nie veröffentlicht worden. Das war nie
veröffentlicht worden. Aus Angst, weil eben da auch nichts beweisen konnte. Genau, also das ist nie
erschienen, dann haben wir dann auch mit ihrem Literaturagent geredet und mit weiteren. Also es
war im Prinzip so, dass wir, ich habe die genaue Zahl jetzt nicht mehr, aber wir haben aus ihrem
Umfeld, ich würde sagen zwischen fünf bis zehn Personen, wir haben mit Freundinnen von ihr geredet,
also der Dreh- und Angelpunkt war eigentlich, dass wir gehofft haben, wir können die Agentin sprechen,
denn so wie sie uns das geschildert hat, ist sie aus dem Hotel raus und hat als erstes mit ihrer
Agentin drüber gesprochen, hat ihrer Agentin erzählt, was passiert ist und so wie Johnny
Tempel uns das geschildert hat, hat die Agentin zu ihr gesagt, ja also du hast jetzt zwei Möglichkeiten,
du kannst ihnen anzeigen, dass an die große Glocke hängen, dann ist deine noch nicht mal richtig
begonnene Karriere als Schauspielerin beendet oder du schluckst es runter und machst weiter. Diese
Agentin haben wir natürlich gesucht, wir hatten den Namen, wir hatten die Adresse und haben uns
gewundert, warum die immer nicht antwortet auf die Anrufe, warum wir die nicht kriegen und irgendwann
habe ich mir gedacht, okay jetzt jetzt gehe ich einfach zu ihr hin und bin zu der Adresse,
habe geklingelt, keiner macht auf, sagt die Nachbarin, ja die ist vor drei Wochen gestorben. Das war
für uns natürlich ein enormer Rückschlag, wir hatten aber dann schon noch einige andere
Gesprächspartner, Gesprächspartnerinnen, zum Beispiel ihren damaligen Lebensgefährten,
dem sie den Vorfall in einer abgeschwächten Form erzählt hat, dass Wedel eben versucht hat,
sie zu vergewaltigen und es gab einen Freund, der in LA lebt, dem sie den Vorfall geschildert hat.
So wie er gewesen sein soll. Also direkt nach dem Vorfall quasi? Nein, dem hat sie ein Jahr später,
diesen Vorfall geschildert. Es gab ein wichtiges Dokument für uns damals bei der Recherche und
zwar hat die Mutter ihres damaligen Lebensgefährten ein Kalender geführt, in dem sie akribisch
aufgeschrieben hat, was sie so gemacht hat und sie war eben als Johnny Tempel in München war,
um bei Dieter Wedel vorzusprechen, hatte sie auf das Baby aufgepasst von Johnny Tempel und hatte
das notiert und daher hatten wir sozusagen auch noch mal ein Dokument, in dem klar war, Johnny
Tempel hat dann und dann Dieter Wedel in München getroffen. Aber interessant ist doch in diesem
Kalender, der sagen wir jetzt mal Schwiegermama, stehen gleich drei Termine für Treffen in diesem
Jahr mit Dieter Wedel und Johnny Tempel kann sich offenbar nicht erinnern, bei welchem dieser Treffen
dieses Ereignis stattgefunden haben, dieser Übergriff, diese Vergewaltigung stattgefunden
haben soll. Ist das so ein irritierender Moment in der Recherche oder verfestigt sich jetzt mit eurer
Umfeldrecherche so ermählich das Bild? Das war natürlich schon ein irritierender Moment,
aber es ist einfach tatsächlich so, haben wir festgestellt, als wir uns dann damit beschäftigt
haben und auch mit Therapeuten drüber geredet haben, dass sowas passiert, dass man sich nicht
unbedingt hundertprozentig zwangsläufig an sowas mehr erinnern kann. Das wurde uns so erklärt und
ein ganz wichtiger Punkt, warum wir dann letztlich auch der Zeug in Glaubwürdigkeit geschenkt haben,
war ganz wichtig, dass sie, wie Jana vorher schon gesagt hat, ihre Therapeuten von der
Schweigepflicht entbunden hat und dieser Therapeuten hat sie den Fall auch geschildert und die
Therapeuten hat uns auch gesagt, dass sie überhaupt keine Zweifel daran hat, dass das so stattgefunden
hat. Was ganz wichtig ist überhaupt für die ganze Recherche war, dass wir natürlich immer selber
auch uns die Frage gestellt haben, wie glaubwürdig ist die Zeugin und letztlich war klar, wir machen
die Geschichte dann, wenn wir noch andere Zeuginnen haben. Also das war ein ganz wichtiger Punkt in
der Recherche, dass wir weiter gesucht haben. Und ihr habt ja dann auch weitere, und zwar
massenhaft an Zeuginnen gefunden, aber zunächst mal eine weitere. Wie seid ihr denn auf die gekommen?
Ja, manchmal gibt es im Leben ja Zufälle und man muss tatsächlich sagen, diese zweite Frau,
die wir gefunden haben, war wirklich ein bisschen zufällig, weil jetzt muss ich kurz ausholen. Ich
habe selber mal kurze Zeit in Los Angeles gelebt und habe dort Freunde gehabt und einen Schauspieler
kennengelernt. Ich habe mich an denen erinnert und habe gedacht, aha, den rufe ich mal an, weil nämlich
vorher hatten wir über Recherchen einen Namen erfahren von einer Schauspielerin, die in LA wohnt,
die auch ein Opfer von Wedel gewesen sein soll. Also wir hatten einen Namen. So, dann habe ich gedacht,
okay, ich rufe jetzt diesen Freund an und frage ihn, ob er diese, ist auch eine Deutsche, sozusagen,
ob er diese deutsche Kollegen kennt. Ich rufe den an und sage, sag mal, kennst du diese Frau? Und er
sagt, ja, die kennt er, aber er glaubt, die würde nicht reden. Und dann sagt er, was recherchierst
du denn? Wir haben uns über den Fall Weinstein unterhalten, dann habe ich gesagt, ich kann dir
nicht sagen, was ich recherchiere, aber es geht um einen ähnlichen Fall wie bei Weinstein. Und er
sagt, ach, das ist ja interessant, weil letzte Woche war eine Freundin von ihm da, die ihm genau
so einen Fall mit Dieter Wedel berichtet hätte. Und dann habe ich gesagt, aha, das ist aber sehr
interessant, der Frau würde ich gerne bei mich mal unterhalten. Und dann meint er, ja, das könne
man arrangieren. Und das war dann tatsächlich Patricia Thielemann, also die zweite Frau aus diesem
Text. Dann habe ich die angerufen, die wohnt auch in Berlin und ist auch keine Schauspielerin mehr,
sondern hat ein, ja, ein Jogastudio, ist Unternehmerin geworden, also ist eine Yoga-Lehrerin. Ich rief
sie an und fragte sie zu Wedel und ob sie reden würde. Da hat sie als erstes gesagt, ja, sie erzählt
mir, was ihr passiert ist. Und dann rief sie, ich glaube, es war ein paar Tage später wieder an
und sagte, nein, sie macht es auf keinen Fall, sie möchte nicht mit Wedel mehr in Verbindung gebracht
werden und sie hat Angst davor, was es für sie bedeutet. Also das war überhaupt so ein
wiederkehrendes Moment, dass immer die Frauen Angst hatten, was macht das jetzt mit meinem Leben, wenn
ich mit dieser Geschichte an die Öffentlichkeit gehe? Und da passiert ja tatsächlich sehr viel. Also
sie hatte Angst, das wirkt eben auf ihre Familie, auf ihre Beruf, also auf alles, sie wollte, sie
meinte, sie hat auch überhaupt keinen Grund damit jetzt, an die Öffentlichkeit zu gehen, weil sie
ist erfolgreich, sie hatten Unternehmen, warum noch mal. Und dann haben wir immer, also wir haben
eigentlich immer weiter recherchiert und hatten dann ja auch noch andere Fälle, von denen kann
ja Annabel jetzt noch erzählen. Ganz wichtig, der Durchbruch, glaube ich, Jana war, warum Patricia
Thiele man dann doch geredet hat, dass in der Zwischenzeit Dieter Wedel selbst an die Presse
getreten ist und in einem Interview mit einem Radiosender gesagt hat, er sei auch ein Mitu-Opfer
und zwar, es war eine Meldung, das war nicht nur in dem Interview, sondern dieses Zitat wurde dann
in allen Zeitungen, wurde das Kolportiert zwar in allen Blättern. Als ich ans Theater kam, wurde
ich immer für schwul gehalten. Homosexuelle Regisseure und Schauspieler haben mich mächtig
unter Druck gesetzt. Da ist also einer das Opfer. Genau, und das war dann letztlich bei Patricia
Thielemann und auch bei anderen Frauen, mit denen wir geredet hatten, so eine Art Durchbruch, dass
sie gesagt haben, das geht nicht. Also, damit können wir ihn jetzt nicht wegkommen lassen. Und das
war, glaube ich, bei Patricia Thielemann Ausschlag geben, dass sie gesagt hat, okay, ich mache jetzt
doch mit. Und jetzt sollten wir vielleicht mal den Fall schildern. Ganz kurz noch, also ich habe sie
dann eben nochmal angerufen und habe ihr das erzählt. Sie wusste das noch nicht von dem Interview,
was Wedel gegeben hat. Und da war sie dann wirklich sehr erschüttert. Also, dass eben jetzt Wedel
sich selbst praktisch als Opfer deklariert hat. Und um das kurz mal zu zeigen, was der eigentliche
Impuls war, warum sie dann wirklich mitgemacht hat, würde ich sagen, lassen wir sie am besten
selbst reden. Als ich gehört habe von Ihnen, dass es anderer Frauen gibt, denen weitaus Schlimmeres
passiert ist und ich ja erst nein gesagt habe und dann eine schlaflose Nacht deswegen hatte, weil
der Impuls sagt, das kannst du nicht machen. Du kannst nicht jetzt auf einmal, weil das unbequem
ist und du damit nicht in Verbindung gebracht werden willst. Da musst du sprechen, um den
anderen Rückendeckung zu geben, dass wir echt schäbig sonst. Also, dass ich das so von mir
nicht vertreten konnte, dann nicht nach vorne zu gehen und dass ich Johnny damit auch stützen
wollte mit meiner Aussage. Ja, also noch dazu muss man sagen, Johnny Tempel und Patricia Thielemann
kannten sich überhaupt nicht. Die hatten sich noch nie vorher gesehen. Also sie hat das tatsächlich
nur über mich dann erfahren und wir trafen uns dann das erste Mal in einem Kaffee in Berlin. Da
kam Patricia Thielemann herein. Ich kann mich noch sehr gut erinnern. Sie ist eine wirkliche
Erscheinung. Sie ist sehr groß, platinblond, kurze Haare, total durchtrainiert. Also man sieht,
sie macht viel Yoga. Man kann sie auch in Videos anschauen. Da steht sie auf ihren Händen. Das
kann sie sicherlich. Und da, das war sozusagen unsere erste Begegnung. Und da ging es erst mal los,
indem sie mich gefragt hat, was hier eigentlich passieren kann, wenn sie jetzt redet mit uns.
Und das glaube ich, muss man dazu sagen, weil das sehr, sehr häufig kam. Immer wenn wir mit
Frauen gesprochen haben, kam eigentlich als erstes die Frage, wenn ich jetzt Ihnen alles erzähle,
was passiert denn dann mit mir? Also Beleidigung, üble Nachrede und so weiter. Und wir haben hier
muss die auch mit juristischen Angriffen rechnen, presserechtlich. Absolut. Und das haben wir auch
immer gesagt. Wir haben immer gesagt, dass das durchaus sein kann, dass Wedel gegen sie juristisch
vorgehen wird. Also wir haben jetzt nicht gesagt, es ist alles kein Problem, sondern wir haben es schon
sehr deutlich gemacht, dass es durchaus sein kann. Aber ja, das ist natürlich trotzdem wichtig,
wäre die haben dann auch oft noch darüber nachgedacht. Und manche haben sich dann eben
dagegen entschieden. Patricia Thielemann hat eben mitgemacht und hat mir dann erzählt,
wie das damals mit Wedel gewesen ist aus ihrer Sicht. Das ging um einen Fall 1991. Sie war
damals Schauspielerin. Und wie das Spiel ein Hotel eine Rolle? Ja, diese Hotels spielen öfter
eine Rolle. Das ist wie so ein Muster. Das erzählen wir dann später noch. Also da war es so. Patricia
Thielemann hat die Initiative ergriffen und an Dieter Wedel einen Brief geschrieben. 1991,
denn sie wollte eine Rolle. Sie hatte gehört, macht einen neuen Film und da wollte sie gerne
dabei sein. Daraufhin hat Wedel sich gemeldet. So hat sie es uns erzählt und hat sie zu sich
nach Hause in Hamburg eingeladen. Darauf ist sie auch eingegangen, hat sie uns erzählt und ist zu
ihm nach Hause gegangen. Da war seine Frau aber auch dabei. Und das war das erste Kennenlernen.
Das habe ich auch erlebt. Also ich habe einen dossier geschrieben über Frauen über 50 im
Fernsehen. Das ist also schon sehr, sehr lange her. Das war noch Ende der 90er Jahre. Und da habe
ich verschiedene Schauspielerinnen über 50 besucht und habe auch Regisseure besucht und habe auch
Dieter Wedel besucht und der hat mich zu sich nach Hause eingeladen. Da saß ich mit ihm am
Kaffetisch mit seiner Frau und wir haben uns dann unterhalten. Er hat aber so schwache Statements
abgegeben, dass es am Schluss nicht in das Stück Einlass gefunden hat. Also dieses Treffen war
vergeblich. Wir müssen noch was zu seiner Frau sagen. Ursula Wolthos. Die lernte nämlich ganz
früh kennen und sie ist Geschäftsführerin von Corona Film, von der Filmfirma sozusagen,
die von Dieter Wedel gegründet wurde. Die beiden arbeiten also auch zusammen im Bereich Film und
darum sitzt seine Frau auch bei manchen dieser Treffen mit am Tisch und sei es der Küchentisch.
Ja, wobei auch immer schon bekannt war, dass Dieter Wedel Tausende von Geliebten hat oder
Affären hat. Das hat sie offenbar nicht weiter gestört.
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unter www.zeit.de-verbrechen-testen. Zurück zu Thielemann. Also sie saß eben bei ihm am
Kaffetisch zusammen mit Wedels Frau und das war sozusagen das erste Kennenlernen. Kurz darauf
hat er sie dann tatsächlich zu einem Casting bestellt, wieder in ein Hotel und zwar ins
Bremer Park Hotel. Man muss dazu sagen auch Patrizia Thielemann hat gedacht, das könnte
ihr Durchbruch sein. Also diese Rolle, was auch immer für eine Rolle es sein wird,
das könnte die Karriere voranbringen. Sie hat sich auch schick davor gemacht, ihr Freund wusste
davon, dass sie da hingeht und ist dort eben hingefahren und auch dort war es dann so,
dass so hat sie es uns erzählt. Also man muss ja immer sagen, das ist ihre Version der Geschichte.
Dort kam sie an. Da gab es keinen Raum in diesem Hotel. Also sie traf ihn in der Lobby. Wedel habe
dann zu ihr gesagt, ja, ob es in Ordnung sei, dass sie auf das Hotelzimmer gehen. Da hat sich
Patrizia Thielemann eben bereit erklärt, hat gedacht, naja, sei nicht so spießig. Sie fand
es auch ein bisschen komisch. Aber gut, irgendwie beim Film ist das wohl irgendwie so locker,
also gut geht sie mit hoch. Dann sind sie eben zusammen auf dieses Hotelzimmer gegangen. Dann
hat sie uns erzählt, sobald die Tür zu viel, habe sich eben sein Gesichtsausdruck völlig
verändert. Er habe sie bedrängt, die Bluse aufgerissen, versucht sie auf die Couch zu werfen.
Sie habe sich dabei immer stark gewährt und hat auch geschrien, dass er aufhören soll. Wedel
habe ihr dann den Hals zugedrückt und hat gesagt, er könne ihre Karriere starten oder
zerstören. Patrizia Thielemann gelang es tatsächlich. Sie hat sich sehr gewährt,
sich ihm zu entziehen und sie ist aus dem Hotelzimmer gestürmt. Und noch in derselben Nacht dann
zurück nach Hamburg gefahren, wo sie noch in derselben Nacht auch ihrem damaligen Freund
erzählt hat. Sie hat es ja auch gesehen, sie kam ja in Fetzen an, oder? Genau, das hat er uns dann
später erzählt. Wir haben dann natürlich auch mit diesem Freund gesprochen. Also bei jeder dieser
Frauen muss man dazusagen, gab es immer einen Riesenumfeld, was man recherchieren musste. Man
musste natürlich erst mal rausfinden, wem haben die das erzählt als erstes. Wenn die noch lebten,
also in dem Fall war es der Freund, dann als nächstes musste man den rausfinden, der musste
reden, der hat uns dann eben erzählt, dass eben sie völlig verstört zurückkam, ihre Bluse in Fetzen
hingen und er eigentlich losgehen wollte, um dem Dieter Wedel eine rein zu holen. Und da lähnte
aber Patricia Thielemann ab, weil sie sagte, wenn du das machst, krieg ich nie mehr ein Bein hier auf die
Erde. Und das ist ganz, ganz oft der Fall gewesen, dass die Frauen dann ihre Männer praktisch abgehalten
haben, irgendwas zu unternehmen, weil sie immer Angst hatten, das fällt wieder auf sie zurück. Und
das ist auch ein Grund, warum die auch meistens nicht zur Polizei gegangen sind. Also auch Patricia
Thielemann, auch Johnny Tempel sind nicht zur Polizei gegangen, haben das nicht angezeigt, weil sie
immer dachten, es fällt auf sie selbst zurück, dass sie so doof sind, erstens mit ins Hotelzimmer zu
gehen und zweitens, es wird ihnen niemand glauben. Also es war immer ihre Annahme, niemand würde sich
so glauben. Ja, bei den Journalisten auch nicht anders. Genau, und man muss jetzt dazu sagen, also
auch mal die Seite von Wedel zu sagen, da müssen wir noch mehr dazu sagen, weil wir haben ihn dann
natürlich auch konfrontiert, aber da kommen wir dann später noch dazu. Was man vielleicht schon mal
sozusagen als Vorgriff sagen müsste, ist, dass wir ja dann später auch herausgefunden haben, was
den Frauen passiert ist, die sich gewährt haben. Jetzt bleiben wir erstmal bei den beiden Fällen.
Dann hatten wir also Patricia Thielemann, haben dort das gesamte Umfeld recherchiert. Dazu kam,
dass wir uns dann natürlich dachten, wir müssen jetzt insgesamt in der Filmbranche auch recherchieren.
Was war denn da tatsächlich über Dieter Wedel bekannt? Und da stellte sich dann heraus, also wir
haben die Karsterin dann gefunden, mit der er sehr lange zusammengearbeitet hat. Sabine Schrot war
das. Sabine Schrot hat uns gesagt, die Mädchen haben mir das nie erzählt. Ich wusste auch,
dass er ab und zu Schauspielerin mit aufs Hotelzimmer nahm. Sie habe aber alle jungen
Darstellerinnen stets davor gewarnt, mit einem Regisseur aufs Hotelzimmer zu gehen. Sie hat
uns erzählt, dass sie die Gerüchte kannte von wedelsexuellen Annäherungsversuchen und die Frauen
seien unter Druck gewesen. Sie wollten arbeiten. Aus Angst nicht mehr besetzt zu werden und dass
die Männer untereinander redeten, hätten sie vermutlich geschwiegen. Vielleicht, was ich auch
noch wichtig finde ist, du hast es vorher angesprochen, dass wir dann angefangen haben,
in der Branche zu recherchieren. Und es war schon von Anfang an, schon als wir den allerersten Fall
hatten, haben wir mit Agentinnen, Schauspielagentinnen telefoniert, die uns gesagt haben, dass sie
diesen Ruf kannten von Dieter Wedel und wir wussten auch von zwei Schauspielerinnen, die was Ähnliches
berichtet hatten, wie Johnny Tempel und Patricia Thielemann, die aber nicht mit uns sprechen wollten.
Es ist wichtig, dass man im Hinterkopf behält, dass wir nicht einfach nur diese beiden Fälle hatten,
sondern es gab schon noch mehr Fälle, über die wir dann aber nicht berichten konnten. Und das hat
auch dazu beigetragen, dass wir geglaubt haben, das ist kein Einzelfall. Und ihr habt ja auch erfahren,
dass das in der Filmszene ein offenes Geheimnis war, dass Wedel alle Frauen mehr oder weniger
angegangen hat. Ich hatte zum Beispiel mit einem Produzenten in Münchentelefoniert, der dann aber
auch nicht zitiert werden wollte, der ganz konkret einen Fall benennen konnte, der wusste ganz konkret
von einem Fall, wo die Frau erzählt hat, dass Dieter Wedel sie schwer misshandelt hat und sie danach
ins Krankenhaus musste. Aber weder diese Schauspielerinnen noch der Produzent wollten sich
zitieren lassen, aber das hatten wir sozusagen noch als Hintergrundinformation. Das ist ein wichtiger Punkt.
Also man muss dazu sagen, dass die Recherche, wir haben unheimlich viel Rückschläge erlebt,
ehrlich gesagt, die ganze Zeit, weil wir saßen ganz oft relativ jung Frauen gegenüber, manchmal waren
sie dann auch schon ein bisschen älter, die uns weinend und zitternd ihre Geschichten erzählt haben,
aber am Ende dann immer gesagt haben, sie machen nicht mit, sie wollen nicht an die Öffentlichkeit
damit. Und das haben wir tatsächlich öfter erlebt, also so dass wir eben natürlich jetzt sehr viele
Geschichten kannten, aber eigentlich nichts mit denen anfangen konnten, weil die immer wieder
abgesprungen sind. Und das war eine Zeit lang für uns unglaublich frustrierend, wenn man da die
ganze Zeit sitzt und diese Geschichten hört und dann zum Teil gestandene Schauspielerinnen solche
Angst haben und man sieht, dass sie immer noch solche Angst haben und man weiß dann gar nicht mehr,
also was kann man jetzt noch machen, wie kann man da weitermachen und dann hatten wir eben in dem
Umfeld, wir haben ja auch mit bekannten Schauspielern geredet, zum Beispiel Corinna Hafuch, die uns dann
gesagt hat, dass wedel Frauen gedemütigt hat oder Schauspielerinnen gedemütigt hat und dass das
ein von allen gestütztes System war. Also das war ganz klar, da gibt es eine Menge Leute, die das
mitbekommen haben, die das eben nie angesprochen haben. Aber wir wussten, es gab sehr vieles,
haben sehr viele auch mit uns geredet, aber es war sehr schwer, die Leute davon zu überzeugen,
mit Namen auch das zuzulassen, dass wir es dann in die Geschichte reinschreiben.
Ihr habt es ja dann irgendwann veröffentlicht und zwar genau am 5. Januar 2018. Ich war ja auch
immer so im Hintergrund mit dabei, wir haben sehr viel uns damals ausgetauscht über die Fragestellung,
was kann man wann berichten, wann habt ihr euch dann entschlossen, jetzt ist es soweit,
jetzt können wir die Geschichte aufschreiben und damals ins Zeitmagazin setzen. Also das war
insgesamt ein Prozess von zweieinhalb Monaten und es war wirklich immer bis zuletzt nicht klar,
ob wir es machen oder nicht machen und der Moment, wo wir uns dann darüber einig waren,
dass wir es machen, war kurz vor Weihnachten und das war auch ein Zeitpunkt, wo wir schon eine
Stellungnahme von Dieter Wedel hatten, in der er alles abgestritten hat, aber auch einen
interessanten Hinweis in der Stellungnahme drin hatte. Er hat selber davon berichtet,
dass ihn mal eine Frau öffentlich bezichtigt habe, er habe sie im Bademantel empfangen und er hat sich
damals schon dagegen zur Wehr gesetzt und seitdem hätte er nie mehr wieder Schauspielerin
in seinem Hotelzimmer empfangen und wir haben dann eine Recherche angestellt und sind auf
einen Artikel gestoßen in der Abendzeitung damals. Da ging es um eine Schauspielerin,
die auch als Regisseurin gearbeitet hat, die in München ein Theaterstück inszeniert hat,
wo sie den Namen, die Dieter Wedel verändert hat, ich kann mich leider nicht mehr genau
erinnern, wie er hieß in dem Theaterstück, aber wo sie genau das, was uns geschildert wurde,
diese Bademantelgeschichte in einem Theaterstück inszeniert hat. Und mit der Regisseurin haben
wir telefoniert und sind dann nochmal auf drei weiteren Namen gestoßen, die wir in der ersten
Geschichte zwar nicht veröffentlicht haben, aber das war der Moment, wo wir uns dachten,
jetzt haben wir ein Muster erkannt. Also die Geschichten, die wir gehört haben, waren immer
die gleichen. Es war dieses Muster, dass die Frauen gesagt haben, wir sind entweder zu einem
Casting einbestellt worden oder er wollte uns noch ein Drehbuch zeigen und hat uns gebeten kurz
mit zum Hotelzimmer zu kommen und dann hätten da entweder einen Übergriff stattgefunden oder
sie konnten sich wehren und abhauen. Und da war dann so der Moment, wo wir uns gedacht haben,
okay, also das kann kein Zufall sein. Ihr habt ja dann auch später versucht,
an Dieter Wedel heranzutreten und mit ihm selbst ins Gespräch zu kommen, ist euch aber nicht gelungen,
soweit ich mich entsenne. Genau, also das war noch kurz davor. Wir haben versucht,
ihn persönlich zu sprechen. Das hat er über seine Sprecherin abgelehnt und dann war klar,
wir müssen ihn aber konfrontieren mit unseren Vorwürfen. Und da haben wir dann einen gesamten
Fragenkatalog entworfen, zu wirklich jedem einzelnen Vorwurf, den wir dann hatten. Und dann hat er
eben über seinen Anwalt diese Stellungnahme an uns geschickt, wo er eben sagt, dass das alles
nicht stimmt. Also er hat tatsächlich sehr detailliert dann auch zum Teil geantwortet. Also
zum Beispiel, dass er sich an Patrizia Thielemann überhaupt nicht erinnern kann. An sie konnte
er sich gar nicht erinnern. An Johnny Tempel konnte er sich erinnern. Da sagte er, soweit er sich
erinnern könne, hätten sie eine Affäre gehabt. Das heißt, also auch damit mussten wir dann wiederum
zu Johnny Tempel. Und er sei enttäuscht von ihr, ne? Er sei enttäuscht von ihr und das heißt, also
wir mussten dann wieder Johnny Tempel damit konfrontieren. Wedel sagt, er hat eine Affäre mit
ihm gehabt. Das ist total erschreckend harmlos. Ich lese das mal vor. Ich erinnere mich, dass ich
Frau Tempel mochte und mit ihr eine kurze Affäre hatte. Wir haben dann später auch festgestellt,
dass auch das ein Muster war. Dass wenn es eine Frau gab, die gesagt hat, er hat mich angegriffen,
dann hat er gesagt, nee, es war so, sie hat mich angegriffen. Das haben wir dann später bei anderen
Geschichten auch noch mal festgestellt. Rechtsanwälte, die dann sagen, Moment,
der ist ständig belästigt worden, schon in der Lobby hat sie ihn angemacht und dann ist
sie eben aufs Hotelzimmer gefolgt und so weiter. Das war ein wichtiger Aspekt auch, dass Dieter
Wedel offenbar, so wie uns das geschildert wurde, auch von Freunden und Mitarbeitern jedem sofort mit
juristischen Konsequenzen gedroht hat. Und das war auch ein Mittel, wie er Leute unter Druck
gesetzt hat. Und auf der anderen Seite geht er mit seiner Promisquität sehr, sehr offen um. Also
fast entwaffnend offen. Er sagt, das ist ja erstens nicht strafbar. Und ich habe mir hier
zwei Sätze rausgeschrieben aus einem Buch von Dieter Wedel vom schönen Schein und wirklichen
Leben, wo er sagt, Frauen versuchen den Regisseur mit ihrem Spiel und ihrer Weiblichkeit zu
verführen, manchmal vermischt sich beides. Oder an anderer Stelle, ich hatte immer zwei, drei,
manchmal auch vier Frauen gleichzeitig, ließ mich eine fallen, waren immer noch genug da, um
mich aufzufangen. Also jetzt muss man eine Sache auch kurz dazu sagen, natürlich gibt es auch
Schauspielerinnen und Frauen, die tatsächlich genau ihre Sexualität auch nutzen, um dafür
sich ein Vorteil daraus zu ziehen. Das haben uns auch mehrere Agentinnen, die hier auch vorkommen
in unserem Text, auch bestätigt. Also es ist jetzt nicht immer so, Frau ist gleich Opfer,
sondern in dem Fall, gerade wenn man Schauspielerin ist, da geht es sehr ums Äußere. Ja, das ist
ein Beruf, wo man als Frau oder als Schauspielerin sehr davon abhängt, auch von der Gunst und vom
Geschmack von meistens Männern, eben Produzenten, Regisseuren und so weiter. Und natürlich gibt es
da auch Frauen, die das auch einsetzen. Und das war eben genau diese Gradwanderung, dass wir
eben versucht haben, herauszufinden, wo wurde es eingesetzt und wo eben absolut eindeutig nicht.
Und da war ganz klar eben, also für uns in diesen Fällen, die wir hier geschildert haben, haben wir
mit so vielen Leuten gesprochen, wie möglich war, dass es eben für unsere Begriffe und was sie uns
erzählt haben, dass es eben für uns glaubwürdig erschien. Und man muss vielleicht auch noch kurz
sagen, es war ja eben gar nicht klar, wie veröffentlichen wir das. Also da gab es dann noch,
da muss man auch noch mal dazu sagen, wann ist Verdachtsberichterstattung eigentlich zulässig?
Darum ging es ja. Und darüber haben wir uns lange unterhalten in der Redaktion mit mehreren Anwälten
und so weiter. Und da, ich sage das jetzt einfach mal kurz, diese Punkte der Verdachtsberichterstattung,
weswegen wir uns dann auch entschieden haben, das zu machen. Also erst mal Interesse der
Öffentlichkeit. Wedel war auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk tätig. Zweitens muss
eine sorgfältige Eigenrecherche da sein. Dann es muss eine Stellungnahme des Betroffenen geben,
also er muss mit den Verdacht konfrontiert worden sein und seine Äußerungen müssen
ähnlich gewichtet auch dargestellt werden in dem Text. Das ist zum Beispiel in dieser ersten
Geschichte im Zeitmagazin hatten wir ein Doppelcover. Das heißt, auf der ersten Seite ist ein Zitat von
Johnny Tempel und auf der zweiten Seite ist praktisch die Reaktion darauf, von Dieter Wedel. Da
sieht man also, wie wir das dann umgesetzt haben. Man darf sprachlich nicht vorverurteilen. Das heißt,
sehr viel ist im Konjunktiv geschrieben und die Schwere der Vorwürfe muss gegeben sein. Also nach
dem haben wir uns gerichtet. Dann gab es auch noch eidesstadtliche Versicherungen der beiden Frauen,
also von Patrice Thielemann und Johnny Tempel. Also ich erinnere mich, wie wir kurz vor Weihnachten
nicht unseren stellvertretenden Chefredakteur vom Zeitmagazin an der Kreuzung getroffen haben,
um ihm diese eidesstadtliche Erklärung schnell noch zu geben, damit es in Druck gehen kann. Und
dann durfte auch niemand dieses Zeitmagazin vorherlesen oder sehen. Matthias Kalle war das der
stellvertretende Chefredakteur vom Zeitmagazin, hat dann die Ausgaben, die schon gedruckt waren,
bei sich im Büro versteckt, weil niemand sozusagen die Lesen und Sehnen durfte, weil alle Angst hatten.
Wiedel geht sofort dagegen vor. Ja, auch hier in Hamburg hingen die Seiten nicht aus, wie sonst
immer am Dienstagabend. Genau. Der Artikel ist erschienen, das Magazin ist erschienen und quasi
im selben Moment setzt aber auch massive Kritik an der Zeit ein. Ihr stellt ja den großen Mann
an den Pranger, auf welcher Basis eigentlich. Und es gab Eingabenbeschwerden beim Presserat,
der aber dann anders entschieden hat und ganz klar gesagt hat, so stellen wir uns das eigentlich vor.
Der Presserat hat veröffentlicht, dass er eine vorbildliche oder vorbildhafte Verdachtsberichterstattung
gewesen, die die Zeit hier abgegeben hätte. Man muss dazu vielleicht noch zwei Sachen sagen.
Das eine ist eine eidesstadtliche Versicherung, die außerhalb von Gerichtsverfahren vorgetragen wird,
ist eigentlich nichts wert. Also Wiedel hat seine ganzen Drohungen nicht wahrgemacht. Wir haben
natürlich mit Strafanzeigen gerechnet, wir haben auch mit Angriffen seinerseits gerechnet. Gegen die
Zeit ist jedenfalls nichts erfolgt. Anders lief es mit den beiden Frauen. Dieter Wiedel hat über seinen
Anwalt an Johnny Tempel und an Patricia Thielemann Unterlassungsaufforderungen gerichtet und diesen
Aufforderungen sind die beiden aber nicht nachgekommen und danach kamen dann aber auch nichts mehr.
Einerseits keine Angriffe mehr. Was natürlich auch kam, das waren Artikel in anderen Zeitungen und
Stellungnahmen von Rechtsanwälten, die gesagt haben, so geht das nicht. Die Zeit macht hier ein
zweites Gericht auf, ein Journalistengericht und verurteilt hier einen Mann, dessen Schuld nicht
erwiesen ist. Der Anwalt von Herrn Wiedel hat dann noch behauptet, er würde die Zeit auf Millionen
verklagen, was auch keine Rolle gespielt hat. Das einzige, was wirklich war, war eben die öffentliche
Kritik an der Zeit. Ich habe jedenfalls damals dann auch auf Zeit online einen Artikel veröffentlicht
zu diesen Vorwürfen und habe gesagt, wir haben uns also an die Vorgaben der Verdachtsberichterstattung
gehalten. Mehr können wir nicht machen. Wenn Leute zu uns kommen, die diese Vorwürfe schildern,
was sollen wir denn machen, sollen wir das jetzt verschweigen, weil wir einem großen Mann
ans Bein pinkeln oder weil die Taten verjährt sind, sodass sie staatsanwaltschaftlich nicht mehr
verfolgt werden können. Also wenn wir dieser Logik folgen, dann hätte man auch die Odenwaldschulen
Opfer nicht anhören dürfen, dann hätte man die Übergriffe, in denen Kanisius-Kolleg nicht
verfolgen dürfen, dann dürfte man die Zustände in den Weisenhäusern, den kirchlichen und anders
gestalteten nicht nachkommen. Also all das ist dann verboten und das heißt, die Polizei kann nicht
mehr eingreifen, dann soll niemand mehr eingreifen. Ich würde allerdings ganz gerne wissen, wenn meine
Tochter auf eine Schule geht, wo die Lehrer sich an den Schülern zu schaffen machen. Also da ist für
mich eine Schule mit einer dermaßen finsteren Vergangenheit. Ich finde, da hat die Presse
durchaus die Aufgabe, die Bevölkerung aufzuklären, wenn sie hinreichenden Tatverdacht sieht und den
haben wir damals gesehen. Diese Außeneinandersetzung jedenfalls geht ganz im Sinne der Zeit aus.
Am 5. Januar 2018 erscheint der Artikel im Zwielicht, im Zeitmagazin und was danach geschah. Darüber
sprechen wir in der nächsten Folge, liebe Hörerinnen und Hörer, und damit der Cliffhänger nicht allzu
schmerzlich wird, erscheint diese Folge auch heute. Euch zunächst mal ganz herzlichen Dank. Tschüss, bis gleich.
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Eine ehemalige Schauspielerin wendet sich an die ZEIT. Sie berichtet, der prominente Fernsehregisseur Dieter Wedel habe sie vor Jahren sexuell attackiert. Dann kommen weitere Frauen hinzu, die dasselbe erzählen. Zwei ZEIT-Reporterinnen machen sich auf Recherche.
In Folge 130 sprechen Sabine Rückert und Andreas Sentker mit den ZEIT-Reporterinnen Jana Simon und Annabel Wahba über einen großen Filmemacher, der vermutlich auch ein großer Übeltäter war.
In Teil 2, "Der Schattenmann", berichten noch mehr Frauen von Grausamkeiten des Dieter Wedel. Und im Archiv eines Senders finden sich Beweise für ihre Aussagen.
Im dritten und letzten Teil fragen die Reporter der ZEIT, warum Sender und Medien zu Dieter Wedel hielten, obwohl viele Bescheid gewusst haben?
Der Text zur Folge (Nadine Ahr, Amrai Coen, Christian Fuchs, Götz Hamann, Anne Kunze, Khuê Pham und Annabel Wahba: Das System) ist im März 2018 im ZEITmagazin erschienen.
Die neue Ausgabe des Kriminalmagazins ZEIT Verbrechen liegt am Kiosk und ist hier online bestellbar. Sie möchten zwei Ausgaben zum Kennenlernpreis testen? Dann klicken Sie hier.