Ö1 Journale: Abendjournal um 18 (15.10.2023)
ORF Ö1 10/15/23 - Episode Page - 16m - PDF Transcript
Mit Julia Schmuck im Studio. Guten Abend. Im Gasastreifen wird die Lage für die Zivilbevölkerung
immer dramatischer. Drei Stunden hatte sie heute wieder Zeit, in den Süden zu fliehen.
Israel bereitet unterdessen den Einmarsch in den von der Hamas beherrschten Gasastreifen
vor. Das Ziel, die Hamas auslöschen. Die USA befürchtet unterdessen eine Exkulation
im Nahen Osten und aus der Iran direkt in den Konflikt eingreift. Außerdem in diesem Journal
in Polen wird heutige Welt ein Machtwechsel könnte bevorstehen. Und IHS-Chef Bonin will
übers Pensionssystem diskutieren und schlägt vor bis 67 zu arbeiten. Der heiße Herbst ist
jetzt endgültig vorbei. Gerhard Holzinger. Der Sonntag geht größtenteils bewölkt zu
Ende. Im Südosten hat der Regen aufgehört, an der Alpen-Nordseite und im Osten ziehen
aber noch Schauer durch, mit Schnee allmählich bis gegen 1000 Meter. In der Nacht klades
vermehrt auf, der Wind lässt überall nach und es wird kalt mit Tiefstwerten zwischen
minus drei und plus sieben Grad. Morgen Montag etwas Frühnebel, tagsüber häufig sonnig
mit ein paar Wolken, nur wenig Wind und herbstlich kühl, bei maximal sieben bis fünfzehn Grad.
Nach dem Terrorangriff der Hamas auf israelische Zivilisten vor einer Woche ist die Lage im
Nahen Osten weiterhin höchst angespannt. International wächst die Sorge, dass die
ganze Region ins Chaos stürzt. Die Krisendiplomatie ist voll angelaufen, zahlreiche Politikerinnen
und Politiker reisen in den Nahen Osten. Während sich im Norden Israels die Lage an
der zweiten Front zum Libanon zuspitzt, wird an der Grenze zu Gaza die Bodenoffensive gegen
die Terrororganisation Hamas im Gaserstreifen vorbereitet. Hunderttausende Menschen im Gaserstreifen
sind auf der Flucht, Nikolas Wildner berichtet.
Rund 500.000 Palästinenser haben bisher den sicheren Süden des Gaserstreifens erreicht,
so die vereinten Nationen. Doch die UN kritisiert, dass es nicht so schnell möglich sei, alle
Bewohner aus der bedrohten Kampfzone im Norden von Gaza zu evakuieren. Laut israelischen
Militärbehindere außerdem die Hamas Menschen an der Flucht, um sie weiter als Schutzschilde
verwenden zu können. Nach Druck aus den USA hat Israel heute wieder garantiert, die
Fluchtroute von Norden nach Süden zwischen 10 und 13 Uhr Ortszeit nicht anzugreifen.
Während der Raketenbeschuss aus Gaza auf Israel auch heute andauert, verfolgt Israel nervös,
auch die Entwicklungen entlang seiner Nordgrenze zum Libanon. Laut israelischer Armee sind
heute bereits mehrere Dozentraketen aus dem Libanon auf Israel abgefeuert worden. Bisher
sind bei Beschuss aus dem Libanon vier israelische Soldaten und ein Zivilist getötet worden.
Und in Tel Aviv bin ich jetzt mit unserem Korrespondent Nikolaus Wildner verbunden. Guten Tag.
Guten Abend. Sie mussten gerade in ihren Schutzraum gehen, weil es wieder Raketenalarm gibt. In
Tel Aviv, wie ist denn die Lage aktuell? Die Lage in Israel ist, man kann eigentlich sagen,
obwohl es paradox klingt, sie ist mehr oder weniger unter Kontrolle, aber man hat sich in den
letzten Tagen dann gewöhnt, dass es Raketenalarm gibt, dass es Raketen aus Gaza gibt. Meistens
auf den Süden israels, also das Gebiet um den Gaserstreifen. Aber jetzt gerade war auch wieder
Alarm in Tel Aviv. Es ist sich gerade ausgegangen für das Abendsjournal, aber wir waren gerade in
unserem Schutzraum, haben abgewartet, bis wir gehört haben, dass die Raketen anscheinend vom
Iron Dome von dem israelischen Raketenabfallsystem abgefangen worden sind. Und dann konnten wir
zurück an den Arbeitsplatz. Ja, nach wie vor ist unklar, wann die angekündigte,
groß angelegte Bodenoffensive beginnt? Welche Informationen haben Sie denn darüber?
Wir haben derzeit, wie alle anderen, keine konkreten Informationen über den Beginn der
Bodenoffensive. Wir können nur sagen, dass sie mit ziemlich hoher Sicherheit oder eigentlich
mit völliger Sicherheit kommen wird. Aber wir wissen überhaupt nicht, wann in solchen Fällen,
also in Fällen von Bodenoffensiven, hält sich Israel oder die israelische Armee bedeckt und startet
diese Bodenoffensiven im im Regelfall völlig überraschend, meistens in der Nacht. Wir gehen
aber davon aus, dass es nicht mehr sehr lange dauern kann, weil Israel derzeit noch volle
Rückendeckung für eine groß angelegte Militäraktion genießt, vor allem aus den USA, von der EU,
von der gesamten westlichen Welt. Aber je mehr sich, wie wir auch gehört haben, die humanitäre
Lage der Menschen in Gaza zuspitzt oder verschlechtert, desto geringer dürfte der Rückhalt für Israel
und für eine groß angelegte Militäraktion in den kommenden Tagen und in den kommenden Wochen
werden. Also wir gehen davon aus, dass es wahrscheinlich bald soweit sein wird.
Sie haben gerade die Bevölkerung in Gaza auch angesprochen. Die hatte ja heute wieder drei
Stunden Zeit, sich in den Süden des Landes zu begehen, begeben vor, eben zum Schutz vor der
Bodenoffensive. Wie sicher ist es denn da überhaupt im Süden? Soweit wir das einschätzen können,
ist der Süden des Gaserstreifens derzeit sicher und von israelischen Angriffen verschont, aber viel
mehr als ihr nacktes Leben können. Die Menschen aus dem Norden von Gaza dorthin auch nicht retten.
Mir hat heute ein Mann, mit dem ich vor wenigen Tagen noch telefoniert habe, also der in Gaza
statt im Norden von Gaza wohnt oder gewohnt hat geschrieben, dass er sich derzeit mit mehr als
200 Menschen in einem Haus befindet und eben mit diesen Menschen ein Einfamilienhaus teilen muss.
In dieser Lage, die sich immer weiter zuspitzt, hat es vielleicht heute die einzige gute Nachricht des
Tages oder der letzten Woche gegeben. Israel hat angekündigt, den Süden von Gaza zumindest
teilweise wieder mit Wasser versorgen zu wollen, um eine größere humanitäre Katastrophe abzuwenden.
Bisher hat hier Israel den Gaserstreifen völlig abgeriegelt und auch die Wasserversorgung,
die Stromversorgung, die Treibstoff- und Nahrungsmittelversorgung vollkommen eingestellt,
so dass eben die Menschen dort nur auf ihre Reserven so viel sie eben hatten zurückgreifen konnten.
Also das ist vielleicht die einzige gute Nachricht bisher.
Warum kommt denn eigentlich keine Hilfe über Ägypten? Auch da gibt es ja einen Grenzübergang.
Ja, den gibt es aber generell hat Ägypten kein Interesse bisher und wird es wahrscheinlich
auch nicht haben, einen großen Anzahl von palästinensischen Flüchtlingen aus dem
Gaserstreifen. Das hat vor allem damit zu tun, dass die Hamas ein Ableger der radikal-islamischen
Muslimbruderschaft ist, die in Ägypten derzeit oder unter dem derzeitigen Präsidenten nicht sehr
gerne gesehen ist. Das ist eine Gefahr für den ägyptischen Präsidenten von innen, die auch
schon groß genug ist. Da hat Ägypten eine Befürchtung, diese Bewegung auch durch eine
Grenzöffnung wieder mehr an das eigene Land zu importieren. Außerdem hat Ägypten auch betont
schon jetzt schon Millionen Flüchtlinge bei sich zu beherbergen, vor allem aus Syrien,
aus dem Sudan, aus Eritrea und aus Äthiopien. Das heißt Ägypten gibt auch daran schon sein
Limit erreicht oder überschritten zu haben. Darüber hinaus gibt es dem Vernehmen nach
auch Schwierigkeiten bei Verhandlungen über die Ausreise ausländischer Staatsbürger aus Gaser,
also Menschen, die eine europäische, eine US-amerikanische Staatsbürgerschaft zum Beispiel
haben. Unter diesen Menschen befinden sich auch ungefähr 30 österreichische Staatsbürger. Ägypten
ist zwar prinzipiell einverstanden damit, dass diese Staatsbürger aus dem Gaserstreifen nach
Ägypten einreisen, stellt aber an Israel die Bedingung, im Gegenzug humanitäre Hilfe nach
Gaser hineinzuführen. Und wie ich schon gesagt habe, das hat Israel bisher kategorisch abgelehnt.
Jetzt gibt es noch eine zweite Front, die zum Libanon, wo sich die Lage gerade zuspitt,
neuen Raketen sind nach israelischen Militärangaben da heute vom Libanon aus auf Israel abgefeuert
worden. Wie groß ist denn die Gefahr, dass sich die Situation hier weiter zuspitzteskaliert?
Also wie ich gesagt habe, obwohl es Raketenalarm gibt und eben auch vereinzelt Beschuss aus dem
Libanon, ist derzeit die Lage in Israel großteils unter Kontrolle. Aber die Angst von der Eskalation
vor allem an der Nordfront, an der Front zum Libanon gegenüber der Terrormilitz Hisbollah,
die ist wirklich sehr groß und da ist die Nevosität spürbar vorhanden. Die Entscheidungen,
ob die Hisbollah und wann die Hisbollah hier voll in einen Krieg einsteckt, ist vor allem eine
Entscheidung des Iran oder der iranische Außenminister, der gerade den Hamas Generalsekretär
Qatar getroffen hat, der nach Syrien und Libanon gereist ist. Der hat betont, wenn, wie er sagt,
der Genozid israels in Gaza weitergehen sollte, also wenn Israel die Militäraktion im Gasserstreifen
ausweiten sollte, dann müsse der Iran eingreifen in diesen Krieg einsteigen, wahrscheinlich vorerst
durch ein Vorschieben der Terrormilitz Hisbollah, aber vielleicht dann auch selbst als Kriegspartei
und davor ist die Angst vor so einem Flächenbrand, davor ist die Angst im Moment spürbar vorhanden.
Nikolas Wildner war das aus Tel Aviv. Danke für die Informationen.
Bitte gerne, alles Gute nach Wien.
Wir wechseln nach Polen. Da wird heute ein neues Parlament gewählt und ein Machtwechsel könnte
bevorstehen. Die seit acht Jahren regierende Nationalkonservative PiS dürfte zwar stimmenstärkste
Partei bleiben, ihre absolute Mehrheit aber verlieren. Die oppositionelle Bürgerkoalition von
Donald Tusk liegt zwar hinter der PiS, hat aber eine Reléchance, eine Regierung bilden zu können.
Karin Koller aus Warschau.
Lange Warteschlangen in und vor den Wahllokalen heute, auch hier im Zentrum von Warschau. Die
polnische Hauptstadt ist eine Hochburg der Opposition, mit vielen Anhängern der Bürgerkoalition
von Donald Tusk. Die Menschen hier hoffen, mehrheitlich auf einen Regierungswechsel.
Diesmal sind die Leute endlich aus ihren Häusern raus und zur Wahl gegangen, es sind so viele,
sagt eine junge Frau Sieglaube, dass sich ein politischer Wandel ausgehen könnte.
Wahrheit, Freiheit und Demokratie müssen heute einfach gewinnen, so ein älterer Mann,
der gerade aus dem Wahllokal kommt. Er habe für die Bürgerkoalition gestimmt,
es muss sich einfach eine Mehrheit für die Opposition ausgehen.
Sie habe Tusk gewählt, sagt eine junge Mutter, obwohl sie nicht ganz auf seiner Linie ist,
aber seiner Bürgerkoalition traue sie einfach mehr zu, eine Regierung gegen die PiS bilden zu können.
Die Stimmung in den großen Städten wie hier in Warschau bildet aber nur einen Teil
der polnischen Wirklichkeit ab. Die PiS hat ihre trauergebende Wählerschicht auf dem Land.
Unermüdlich haben PiS-Politiker dort die Angst geschürt, dass die Opposition,
den Menschen die Sozialleistungen wegnimmt. Ob das die PiS-Wähler aber genug mobilisieren
konnte, bleibt abzuwarten. Um 21 Uhr schließen die Wahllokale. Mit ersten Auszählungsergebnissen
ist erst in der Nacht zu rechnen. Die Bevölkerung in Afghanistan kommt nicht
zur Ruhe der Westen des Landes, es ist erneut von einem schweren Erdbeben erschüttert worden.
Verena Sophie Meyer über die aktuelle Situation. Seit mehr als einer Woche dauert die schwere
Bebenserie im Westen Afganistans an. Betroffen sind vor allem die Dörfer um die
zweitgrößte Stadt Herat, berichtet die Österreicherin Lisa Machrenas. Sie ist für Ärzte ohne Grenzen vor Ort.
Wir hatten das erste Erdbeben am Samstag gegen 11 Uhr, gefolgt von mehreren schweren Nachbeben.
Hunderte Verletzte wurden vergangene Woche im lokalen Krankenhaus versorgt. Ein großes Problem
sei der Zugang zu sauberem Trinkwasser. Das haben uns auch die wenigen Überlebenden
berichtet. Sie brauchen wirklich Zugang zu Wasser, auch für den verbleibenden Schafherden,
die sie haben. Und was dann noch dazukommt, ist natürlich der Wiederaufbau, der sehr,
sehr viele Menschen beschäftigt, weil der Winter kommt bald. Einfache Notunterkünfte
würden für die Minusgrade nicht ausreichen, berichtet die Österreicherin Lisa Machrenas Herat.
In Neuseeland ist die sozialdemokratische Leberregierung nach sechs Jahren an der Macht
abgewählt worden. Neuer Premier soll ein reicher Geschäftsmann werden, Christopher
Lachsen von der Konservativen Nationalpartei, Werina Sophie Meyer, berichtet.
In Neuseeland ist ein Mitte-Rechtsbündnis am Weg von der Opposition an die Regierung,
angeführt von Christopher Lachsen von der Nationalpartie. Die Neuseeländer hätten
für Wandel gestimmt, seine Regierung werde dieses Land wieder auf den richtigen Weg bringen.
Lachsen verspricht Steuererleichterungen und Recht und Ordnung,
der millionärstpolitischer Quereinsteiger. Er war jahrelang CEO der Fluglinie Air New Zealand.
Der abgewillte Premier Chris Hipkins verspricht eine geordnete Übergabe.
Für Leber ist es die schlimmste Wahlniederlage. Hipkins charismatische Vorgängerin Jacinda Ardern
hatte noch die absolute Mehrheit erreicht. Jetzt hat die Partei fast die Hälfte der Mandate verloren.
Kritik an der Leberregierung gab es etwa wegen langer Lockdowns während der Corona-Pandemie
und zuletzt wegen der rasant steigenden Lebenshaltungskosten.
Nach Österreich jetzt sollen Menschen in Österreich später in Pension gehen,
zum Beispiel erst mit 67 Jahren. Geht es nach dem Wirtschaftsforscher Holger Bonin,
muss Österreich das langfristigen Betracht sehen. Das sagt er heute in der ORF-Pressestunde.
Tanja Malle berichtet. Aus Sicht von IHRS-Chef Holger Bonin
müsse über eine Pensionsreform nachgedacht werden. Die Gründe, die Lebenserwartung steigt,
der Staat muss zunehmend mehr Geld für das Pensionssystem in die Hand nehmen.
Wenn wir uns nach vorne schauen, dann sehen wir, dass da eben die vorhergesagen eben doch
schon deutliche, deutliche Mittelaufwüchse eben in der Zukunft sehen. Und das wird nicht leicht
dazu finanzieren in der Situation, wo die Gesellschaft älterer wird und die Besteuerungsbasis eben kleiner.
Ab dem kommenden Jahr bis 2033 wird das gesetzliche Pensionsantrittsalter der Frauen schrittweise
auf 65 Jahre erhöht. Im internationalen Vergleich sei das spät so Bonin. Es gelte ein Antrittsalter von
67 Jahren in Betracht zu ziehen. Man kann das nicht mit dem Bader ausschöpfen, sondern das dauert
sehr lange. Das ist eine Generationenfrage. Also jetzt sozusagen, deshalb, man kann sich
Reform nur sehr langfristig angehen. Jetzt sind wir erstmal sozusagen da, eben bis 65 bei den Frauen
zu gehen. Perspektivisch könnte man bei den Männern denken, ob man in die Richtung geht.
Der Rechnungshof hat vergangene Woche in einem Prüfbericht kritisiert,
dass eine klare Linie bei gesetzlichen Eingriffen in das Pensionssystem fehle,
wie auch, dass die Pensionen seit 2005 meist über die Inflation hinaus angepasst worden sind.
Bonin zufolge könnte man bei der Anpassung der Pensionen auch über andere Modelle nachdenken,
etwa. Man kann sich eine Formel vorstellen an die Löhne, an die Entwicklung der Löhne,
die auf denen die Beiträge kommen, aber dann möglicherweise auch so was wie ein demografischen
Abschlachtsfaktor, wenn wir älter werden, dass eben das nicht eins zu eins weiter gegeben wird.
So der Leiter des Instituts für höhere Studien, Holger Bonin.
Das war das Abendjournal. Ihr Team heute Sabine Heiner, Christian Williwald und Julia Schmuck.
Einen guten Abend mit Ö1.
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