Fighting Long Covid – Visa Vie und ihr Kampf gegen die Corona-Folgen: 1 Jahr Lost in Long Covid (6/7)
Radio Bremen 3/28/23 - Episode Page - 38m - PDF Transcript
Mir ist in diesem Moment einfach bewusst geworden an diesem Tag,
dass mein Körper niemals mehr so funktionieren wird,
wie er mal funktioniert hat.
Das hat halt bei mir was getriggert, was mich die ganze Zeit
schon ganz, ganz, ganz krass beschäftigt.
Und was wirklich so 24, 7 über mir schwebt.
Und was mir unendliche Angst macht, nämlich, dass ich nicht alt werde.
Ich hab Angst, dass ich durch all die Krankheiten
und durch all die Medikamente und durch all das, was nicht mehr geht,
dass ich einfach nicht mein Leben so leben kann,
wie ich es mir vorgestellt hab.
Und dass ich irgendwie in ein paar Jahren einfach nicht mehr da bin.
Das ist Visaví.
Erfolgreiche Podcasterin, Autorin und Musikjournalisten.
Seit Ende 2021 leidet sie nach einer Corona-Infektion an Long
oder genauer gesagt Post-Covid.
Vorher Topfit bestimmen Visavis Leben jetzt,
Diabetes und lebensgefährdende Herzprobleme.
Lange Aufenthalte in Krankenhäusern,
endlose Besuche in Arztpraxen,
ewiges Warten auf mögliche Diagnosen und Angst.
Fighting Long Covid ist ein Bremenvier-Podcast
für die ALD-Audiothek,
in dem Visaví von ihrer gesundheitlichen Achterbahnfahrt erzählt.
Ich bin Malin Kompah, Moderatorin und Redakteurin
und höre wie ihr vor allem zu.
Moin, Lotti.
Hallo, hallo, hallo.
Jetzt sind wir ja am Ende der letzten Folge so relativ versöhnlich.
Also, wir beide jedenfalls mit uns rausgegangen.
Das ist mir fast schon leidtut,
dass ich jetzt noch mal einen Rückblick habe für dich
und für alle, die uns zuhören,
der nicht so lebensbejaht in dem Moment ist.
Es ist eine Sprachnachricht aus dem Oktober 2022,
die du an einen Freund oder eine Freundin geschickt hast.
Heute ist echt eh...
Oh, einfach ein schwerer Tag für mich gewesen,
weil ich habe heute diese neuen Medikamente
von der Apotheke abgeholt
und mich einfach dann mit den ganzen Wechsel- und Nebenwirkungen
beschäftigt, was ich irgendwie auch machen musste.
Und das ist einfach alles so schrecklich.
Und ich habe dann vorhin einfach einen totalen Nervenzunahmung bekommen.
Und da war Lea uns zum Glück noch da.
Ich habe wirklich so geweint, wie, glaub ich, seit einem Jahr nicht mehr.
Und dieses Gefühl,
dass so gut wie nichts mehr in meinem Körper gefühlt alleine funktioniert
und vor allen Dingen die wichtigsten Sachen,
das hat mich einfach heute unglaublich traurig gemacht.
Was war da los?
Ich habe ja schon ein paar Mal auch angedeutet,
dass ich Medikamentenangst eigentlich hatte.
Und als ich angefangen habe oder anfangen musste,
die ersten Medikamente jetzt regelmäßig zu nehmen,
so, es ging ja noch irgendwie relativ harmlos los
mit eben hier Blutdrucksenker und das.
Ich habe ja die ganze Zeit gedacht, irgendwann kann ich die wieder absetzen.
Das war auch das, was mir eigentlich im Krankenhaus suggeriert wurde.
Ja, es ist ja jetzt frisch nach der Infektion.
Irgendwann wird sich das ja alles wieder einpendeln
und dein Körper wird wieder funktionieren.
Aber stattdessen sind im Laufe des Jahres ja immer mehr Dinge rausgekommen.
Also zum Beispiel hat man ja plötzlich auch irgendwann festgestellt,
was total absurd auch für mich war,
nicht nur, dass sich der Blutdruck nicht mehr normal von alleine regulieren kann,
dein Puls kann sich nicht mehr regulieren.
Dein wichtigster Stoffwechselprozess im Körper,
nämlich alles rund um den Blutzucker, geht nicht mehr,
weil die Bauchspeicheldrüse das nicht mehr machen kann.
Dann hieß es auf einmal auch noch,
oh, dein Fettstoffwechsel funktioniert nicht mehr.
Bei gesunden Menschen funktioniert der Fettstoffwechsel so,
dass alles abtransportiert wird, was du eben an Fett zu dir nimmst
oder was der Körper vielleicht auch selber produziert.
Aber in meinem Fall ist es so, dass das alles kleben bleibt.
Vor allen Dingen in den Blutgefäßen und das einfach nicht mehr daraus möchte.
Ich versuche jetzt mal so Plump und Kindergartenmäßig zu erklären,
wie es nur geht.
Und das führt im Laufe der Zeit dazu,
dass eben diese ganzen kleinen feinen Blutgefäße verstopft werden
und das wiederum führt zu Schlaganfällen und Herzinfarkten
und allen möglichen anderen schrecklichen Dingen.
Und ich war so, hä, aber ich ernähre mich gesund.
Ich hatte noch nie Probleme damit.
Wo kommt denn das jetzt her?
Und dann hat man auch gesagt, okay, wir überprüfen das jetzt mal.
Wir gucken jetzt noch mehr auf ihre Ernährung.
Ich hab mich eh schon fast nur vegetarisch ernährt,
aber ich hab das wirklich alles noch straighter durchgezogen.
Ich hab mich super gesund ernährt.
Und mir wurde gesagt, nee, dein Fettstoffwechsel funktioniert gar nicht mehr.
Und es wurde sogar eher noch schlimmer.
Also meine Werte wurden schlimmer und schlimmer und schlimmer.
Und die Prognose war wirklich so, okay, wenn wir das jetzt nicht behandeln,
dann haben sie in den nächsten,
also dann kann es ein bisschen, dass sie in den nächsten fünf Jahren
ein Herzinfarkt und ein Schlaganfall deswegen kriegen.
Und das war, also war auch schon wieder so, warum?
Woher kommt denn das jetzt? Was ist denn das? Was soll denn das?
Was hab ich denn gemacht? Ich hab doch gar nichts gemacht.
Und an dem Tag, weil ich hab noch Monate gehofft,
dass es ohne Medikamente geht.
Und an diesem Tag weiß ich, dass ich da
die neuen Medikamente bekommen habe, was den Fettstoffwechsel betrifft.
Und die haben halt so ganz tolle Nebenwirkungen.
Also ganz viele Menschen haben dadurch ganz krasse Gelenkschmerzen.
Und auch so doll, dass viele Leute diese Medikamente wieder absetzen.
Und bei mir war auch die Frage,
weil der Fettstoffwechsel so sehr außer Kontrolle geraten ist.
Ich hatte Werte wie ein Mensch, der, keine Ahnung,
als würde ich den ganzen Tag irgendwie nur Fast-Hood essen.
Das war, als würde ich reines Fett trinken oder so.
Ich weiß es nicht.
Also, diese Werte haben überhaupt nicht mit meiner körperlichen Konstitution
und mit meiner Ernährung zusammengepasst.
Das hat einfach nicht hingehauen.
Und deswegen stand sogar im Raum,
ey, wenn wir das nicht durch Medikamente regulieren können,
dann müssen wir Blutwäsche machen, und zwar regelmäßig,
weil sonst wird es halt sehr, sehr gefährlich.
Und an diesem Tag habe ich immer zusätzlich
auch noch ein weiteres Medikament bekommen,
was ich vorher auch noch nicht hatte, wo es darum geht,
dass das Herz nicht vernarbt.
Weil eben, wenn man die ganze Zeit, was ja zu diesem Zeitpunkt
und auch bis heute ja immer auch noch nicht ganz geklärt ist,
eine Herzmuske in Synchronisch hat,
dann gibt es immer mehr Narbengewebe
und je mehr das Herz vernarbt, desto weniger funktioniert es.
Also habe ich auch da ein weiteres neues Medikament bekommen.
Plus dann auch noch Blutverdunner.
Und für mich war ab einem gewissen Punkt es einfach zu viel.
Also diese Vorstellung war früher für mich
schon eine Kopfschmerztablette, war ein rotes Tuch für mich.
Habe ich nicht genommen aus Angst vor Nebenwirkungen.
Und auf einmal bin ich in einer Situation in meinem Leben,
wo ich so viele Sachen auf einmal nehmen muss,
dass ich gar nicht mehr den Überblick behalte.
Ich habe auch voll lauter Medikamentenangst.
Ich könnte die niemals alle auf einmal nehmen,
sondern den ganzen Tag alle zwei Stunden klingelt
ein Medikamentenwecker bei mir.
Und an diesem Tag alle zwei Stunden eine andere Tablette,
die für irgendeine Sache in meinem Körper zuständig ist,
um diese Prozesse zu regulieren, die vorher für mich
das Normalste von der Welt war, weil mein Körper einfach funktioniert hat.
Und ich glaube, an diesem Tag ging es dann,
als ich diese Sprachnachricht geschickt habe, nicht nur um diese Angst.
Jetzt kommt wieder was dazu.
Ich kriege wieder vielleicht, wenn ich Pecher bin,
weil ich bin ja auch teilweise so an manchen Tagen, weiß ich nicht,
sind es jetzt Lunkovid-Beschwerden?
Oder sind es jetzt Nebenwirkungen von den Tabletten?
Ist es jetzt Diabetes? Ist es Bluthochdruck?
Kommt es irgendwie wechselwirkungsmäßig gerade?
Oder ist es Insulin? Keine Ahnung.
Ich bin halt selber so überfordert.
Und an dem Tag hatte ich so sehr Angst,
weil man liest dann auch immer,
wenn man sich mit diesen Medikamenten auseinandersetzt,
das ist natürlich auch für den Körper nicht cool ist,
wenn der jetzt 30, 40 Jahre lang solche Sachen nehmen muss.
Dadurch entstehen wieder ganz andere Dinge.
Und mir ist in diesem Moment einfach bewusst geworden,
an diesem Tag, dass mein Körper niemals mehr so funktionieren wird,
wie er mal funktioniert hat.
Das hat halt bei mir was getriggert,
was mich die ganze Zeit schon ganz, ganz, ganz krass beschäftigt.
Und was wirklich so 24, 7 über mir schwebt.
Und was mir unendliche Angst macht, nämlich, dass ich nicht alt werde.
Ich hab Angst, dass ich durch all die Krankheiten
und durch all die Medikamente und durch all das, was nicht mehr geht,
dass ich einfach nicht mein Leben so leben kann,
wie ich es mir vorgestellt hab.
Und dass ich irgendwie in ein paar Jahren einfach nicht mehr da bin.
Und ich glaube, das ist an diesem Tag so ganz schrecklich auch
in mir hochgekommen, weil ich glaube so durch diese Hochzeit,
zum Beispiel auch mit einfach meinem Menschen, den ich gefunden hab,
der hier auch jetzt echt schon oft genug erwähnt hab.
Aber ich glaube, ich hab das erste Mal in meinem Leben
so eine große Lust, allzu werden, richtig.
Also das, was ich früher vielleicht auch nie so gesehen hab,
weil ich mehr im Hier und Jetzt war.
Aber jetzt bin ich auch so, ich möchte mit diesen Menschen
einfach ganz alt werden und ganz, ganz viele tolle Dinge machen.
Und ich möchte, wenn ich, keine Ahnung, 70, 80 bin,
mit dem irgendwie in Havanna sitzen und dort unseren Lebensabend
am Malekonnen verbringen und aufs Meer gucken
und irgendwie vielleicht doch noch ein Kuhalibre trinken oder keine Ahnung.
Ich möchte einfach leben.
Und ich hab so Angst davor, dass ich das halt durch die Umstände
irgendwie nicht mehr kann.
Oder dass meine Lebenserwartung sich mit jedem weiteren Medikament,
mit jeder weiteren Diagnose, mit jeder weiteren Scheiße,
die plötzlich irgendwie da ist, dass sich das einfach verkürzt.
Und ich das alles nicht mehr erleben kann.
Ich würde mir sehr wünschen, dass ihr in ein paar Jahrzehnten
in Havanna sitzt als altes Ehepaar.
Ich weiß nicht, ob es an der Stelle krass unsensibel ist,
aber wir sind quasi beim Thema, gibt es da Prognosen?
Sprichst du mit Ärztinnen und Ärzten?
Das tut mir total leid.
Nee, also...
Das ist superkrass emotional.
Ich glaube auch da, dass Menschen mit chronischen Erkrankungen
und schlimmen Diagnosen sich genau diese Fragen stellen
oder genau diese Angst halt auch haben.
Ja, das Thema Prognosen ist so undurchsichtig
und es ist so unkonkret.
Und eigentlich sind es einfach nur Fragezeichen,
riesengroßen Fragezeichen.
Gerade was dieses Hauptproblem betrifft in meinem Körper,
das ja immer noch nicht komplett ausfindig gemacht wurde.
Und es ist ganz schrecklich jedes Mal, wenn ich jetzt irgendwie frage,
wie ist denn das, wenn die ganze Zeit Herzmuskelzellen bei mir abstärben,
sagt mein Herz dann irgendwann, danke, ich kann nicht mehr.
Es könnte ja viel schlimmer sein, es könnte ja sogar so sein.
Kurzzeitig gab es Momente, wo der Arzt solche Dinge in den Raum geworfen hat,
wie ja, wenn das Herz jetzt von der chronischen Herzmuskeentzündung
immer weiter vernabt und vernabt und vernabt,
dann muss man da irgendwann über eine Herztransplantation sprechen.
Also an so einem Punkt waren wir schon von den Gesprächen her.
Und da bin ich ja zum Glück nicht,
weil die Bilder eine andere Sprache sprechen.
Auf der anderen Seite alle Studien und so weiter,
die jetzt immer mehr rauskommen.
Es gibt immer mehr Forschungsergebnisse zu dem ganzen Thema,
was macht Covid mit den Gefäßen, was macht Covid mit den Organen?
Es ist alles die ganze Zeit auf so einem Level,
dass ich ständig nur von allen höre, wir wissen es nicht,
wir sind ganz, ganz, ganz, ganz am Anfang.
Wir sind hier irgendwie an einem Punkt, der nicht ausreicht,
um sagen zu können, was macht das genau mit dem Körper
und wie lange macht der Körper das mit, was sind die Folgeschäden?
Ich höre immer nur wieder von allen, die ganze Zeit, wir wissen es nicht.
Und es macht mich selber so fertig, weil ich würde es gerne wissen.
Ich würde gerne wissen, ist es jetzt wirklich so schlimm,
dass ich mir Sorgen machen muss,
dass ich innerhalb der nächsten zwei Wochen einfach tot umfallen könnte?
Oder ist es so, dass ich innerhalb der nächsten zwei Jahre damit rechnen muss?
Weil die Prognosen sind an sich zum Beispiel
in Bezug auf diese Troponinerhöhungen immer relativ schlecht.
Also man sagt, je länger und je höher diese Troponinerhöhungen
sind und anhalten, dass so größer ist auch die Gefahr,
dass du irgendwie ein großes Herzereignis in Anführungszeichen hast
oder ein so ein kardiovaskuläres Ereignis, wie auch immer.
Das heißt also auch da wieder alles rund um Schlaganfall, Herzinfarkt.
Plötzlich erherzt tot, das sind alles Sachen,
die statistisch gesehen häufiger vorkommen,
wenn du so eine Troponinerhöhung hast.
Und normalerweise hast du dir, wie gesagt, in einem kurzen Zeitraum
und dann gehen die wieder runter, aber bei mir gehen nicht wieder runter.
Und ich bin immer noch komplett ratlos.
Ich weiß, was zum Beispiel mit dem Diabetes passiert.
Wenn ich es nicht richtig behandle, wenn ich das nicht gut managere,
dann weiß ich, dass das kann passieren.
Aber ich weiß zum Beispiel da, ich hab das gut unter Kontrolle.
Da kann mir meine Diabetologin sagen, das sieht gerade alles super aus.
Und ich mach mir da nicht so große Sorgen,
weil natürlich kann da irgendwann was passieren in der Zukunft
mit Langzeitfolgen, aber ich hab das ganz gut im Griff.
Wenn man mein Herz betrifft, bin ich halt so...
Ich bin genauso ratlos wie die Menschen, die mich untersuchen.
Und ich hab einfach so Angst davor, dass ich einfach...
Ja, eine von diesen Ausnahmepersonen anscheinend auch bin.
Obwohl es natürlich, weil es so Long-Covid und Post-Covid
wissen wir jetzt, es ist überhaupt keine Ausnahme.
Davon gibt es Millionen Menschen.
Aber es gibt innerhalb von diesen Erkrankungen
und innerhalb von diesem riesigen Spektrum noch mal so spezifische Sachen,
die einfach, und das macht mich auch so verrückt,
im Jahre 2023 kann man einfach nicht genau sagen,
was dieses Virus mit dem Organismus anstellt
und wie man diese Prozesse aufhält und wie man Menschen rettet
und wie man Menschen hilft.
Und das gilt ja, wie gesagt, auch nicht nur für die lebensbedrohlichen Erkrankungen,
sondern auch das, was du angesprochen hast, dieses Fatigue oder ME-CFS.
Wenn ich mir forsche, es gibt Menschen, die wissen nicht,
ob sie jemals wieder aufstehen können alleine
und ihr abgedunkeltes Zimmer verlassen können,
die wissen einfach nicht, ob sie jemals wieder
in irgendeiner Form am Leben teilhaben können.
Auch das ist ja einfach an Schrecklichkeit kaum zu überbieten.
Also, das fühlt sich wahrscheinlich auch jeden Tag ein bisschen wie Sterben an.
Und das macht mich so fertig, dass ich nicht fassen kann,
wie sorglos auch jetzt genau deswegen...
Ich hab das, glaub ich, noch nie gesagt in unseren Gesprächen,
aber ich merke es gerade, wenn es jetzt um diese Ungewissheit geht,
ich find das so schrecklich, dass wir an einem Punkt in dieser Pandemie sind,
wo teilweise Leute dann kurz mal versehentlich von Endemi reden
und dann mir sagen, ach nee, sorry, doch nicht Endemi,
alle wirklich auch wichtigen Maßnahmen abschaffen
und man diese Pandemie überhaupt nicht mehr ernst nimmt,
dieses Virus mit einem Erkältungsvirus vergleicht.
Und es so viele Millionen Menschen gibt,
die einfach gerade in ihren Zimmern liegen,
die auf ihren Couchen liegen, die nicht mehr arbeitsfähig sind,
die nicht wissen, wie ihr Leben weitergeht,
die nicht wissen, wie sie behandelt werden können,
die jeden Tag Schmerzen haben, jeden Tag Angst haben,
nicht mehr richtig laufen können und die Leute reden von einer Erkältung.
Und ich bin einfach nur so krass wütend.
Und das mischt sich halt mit meiner Verzweiflung,
dass ich keine Ahnung hab, was meine Zukunft bringt.
Ich verstehe das total, was du sagst, weil, glaub ich,
fast mehr als, sagen wir mal, von einem Jahr kennen jeder von uns,
gerade Menschen, die Corona haben, zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten.
Und trotzdem sind die Menschen einfach wieder relativ normal unterwegs.
Ich trage immer noch die Maske in der Bahn,
ich trage sie immer noch im Supermarkt an allen öffentlichen Orten,
aber auch weil ich es zweimal hatte und es nicht noch mal haben möchte.
Aber deshalb verstehe ich diese Wut total,
ich find's mega nachvollziehbar.
Genauso frage ich mich aber bei deinem Unverständnis,
auch was die Studienlage zum Beispiel angeht.
Immer, wenn ich mal im Fernsehen der Reportage
über eine Person gesehen hab, die Long- oder Post-Covid hat,
war da immer sehr viel Frustration einfach auch
mit dem Gesundheitssystem und mit der medizinischen Forschung.
Warum kann das sein, dass es nach drei Jahren noch immer
keine Lösung dafür gibt und keine Behandlungsmöglichkeiten?
Hast du da mal mit Ärztinnen und Ärzten, weil ich mein,
du siehst die ja relativ häufig leider,
hast du mit denen da auch mal drüber gesprochen?
Gibt's da irgendwelche Erklärungen und was macht das so schwer?
Obwohl es ja gar nicht unbedingt in deren Händen liegt,
sondern auch da geht's einfach nur wieder um Geld am Ende des Tages.
Es geht darum, wer welche Geldtöpfe aufmacht
und in Forschung da investiert und in diese Studie investiert.
Und auch da geht's wieder um Interessenkonflikten
von irgendwelchen Pharmaunternehmen, von irgendwelchen Patenten,
von irgendwelchen Medikamenten.
Und ich hab gemerkt, ich hab mich angefangen, damit zu befassen,
und das macht mich zusätzlich so pfüten, wenn ich dann noch merke,
dass da irgendwelche wirtschaftlichen Interessen
teilweise auch eine Rolle spielen.
Oder eben politische Entscheidungen
einfach zu Ungunsten von Betroffenen getroffen werden
und man sich auf andere Sachen konzentriert
und teilweise in irgendwelche absurden, unnötigen Projekte
Milliarden investiert werden,
während es ja in Bezug auf Long- und Post-Covid-Ansätze
zumindest gab mit Medikamenten, wo man hätte sagen können,
ey, komm, wir stecken jetzt hier richtig viel Geld rein
und gucken einfach, was passiert, wenn wir die Hoffnung damit haben,
vielleicht Millionen Menschen zu heilen stattdessen,
sind einfach diese Leute auf sich selbst gestellt
und teilweise die Menschen, die das Geld haben,
lassen sich hier irgendwie für 10.000 Euro
selber auf eigene Kosten Blut waschen und solche Sachen,
um wieder leben zu können.
Oder geben hunderte Euro jeden Monat aus
für irgendwelche Sachen, die sie im Internet angepriesen bekommen.
Es kommt ja auch noch mal dazu,
dass plötzlich diese ganzen Rattenfänger um die Ecke kommen
und alle auch noch mit uns Geld machen wollen.
Und selbst ich bin auch auf hier und da ein paar Sachen reingefallen
und hab mir irgendwelche teuren Supplements bestellt,
die auch angeblich in irgendwelchen Studien positiv an Long-Covid-Betroffenen
getestet wurden und, oh, siehst du, ich merke nämlich direkt wieder,
ich kriege einfach zu meinem eh schon körperlich bedenken Hohen Puls,
kriege ich dann noch durch meine Wut einfach noch mehr Puls.
Und ich bewundere auch so ein paar Leute,
die selbst betroffen sind von Long-Covid
und sich auch in diesem politischen Prozess da gerade mit einmischen
und teilweise eben auch Petitionen mit auf den Weg geben und so.
Dafür merke ich gerade wirklich, hab ich die Kraft nicht.
Ich beschäftige mich damit und ich versuche das auch zu thematisieren.
In meinen Stories versuche solche Petitionen zu teilen,
versuche irgendwie solche Organisationen zu unterstützen.
Ich bin ja auch selber Botschafterin,
tollerweise von einem riesengroßen europaweiten Long-Covid-Netzwerk,
die ja auch versuchen.
Sie sind jetzt, glaube ich, auch anerkannt worden eben als Forschungsprojekt,
das ist Health for Future, die ich irgendwie versuche, zu unterstützen.
Aber ich merke so selber, mich jetzt hinzustellen
und irgendwelche, also, dann noch tiefer reinzugehen in dieses Thema.
Ich werd so wütend und ich werd so sauer
und ich hab diese Kraft gerade einfach nicht.
...
Trotzdem, du hast es ja gerade schon selber auch erwähnt,
dass du dich ja auch viel informierst.
Logisch, ich stell mir es halt auch vor, wenn man viel mit sich
und diesen Symptomen und den Krankheiten alleine ist
und die weite Welt des Internet einem ja auch möglich macht,
da ein bisschen mehr reinzugehen.
Bist du so, ich glaube, ich hab es irgendwo schon mal bei dir gelesen,
so dass du dich irgendwie auch als Doc Lottie oder Sherlock Lottie
oder irgendwie selber bezeichnet hast im Netz,
weil du einfach da für dich auch entschieden hast, oder?
Dass du das jetzt nicht einfach alles so hinnimmst,
sondern dich auch informieren möchtest.
Also einerseits versuche ich mich natürlich zu dem Thema
grundsätzlich zu lagen und Post-Covid zu belesen.
Das hab ich auch von Anfang an gemacht, weil es eben auch,
als es bei mir losging, da gab es ja auch wirklich gerade mal so ein,
zwei Netzwerke, die darüber informiert haben.
Aber es gab so wenig Anlaufstellen, so wenig gebündelte Information
zu dem Thema, dass man da wirklich auch, also ich musste irgendwie
alles lesen und alles aufsaugen und kriegen, was ich konnte.
Aber seit ein paar Monaten ist es bei mir auch richtig gezielt so,
ich hab das Gefühl, es fängt an, bei mir ein Wettlauf
gegen die Zeit zu werden, genau das, was wir gerade hatten
mit der Prognose, als ich irgendwann begriffen habe,
dieses Herzmusklethema, es sterben weite Herzmuskletzern,
ab jeden Tag weiter, seit Monaten, seit Monaten.
Und ich merke ja auch, dass es mir im Herzen schlechter geht.
Also ich hab jetzt noch weitere Symptome bekommen,
die ich vor dem halben Jahr noch gar nicht hatte.
Deswegen hat bei mir irgendwann so eine Art ja auch da zusätzlich
noch mal so ein Überlebensmechanismus eingesetzt,
dass ich dachte, ich kann hier nicht einfach nur sitzen
und auf den nächsten Termin warten.
Und ich muss jetzt selber aktiv werden.
Und das hab ich dann vor allen Dingen auch in den letzten Monaten
extrem wahrgenommen, dass ich jede Studie, die irgendwie rausgekommen ist,
gerade zum Thema Herz und Covid, aber auch zum Thema Gefäße und Covid,
weil das alles so Sachen sind, die in meine Richtung gehen.
Ich lese mir dazu alles durch, selbst wenn es auf Englisch ist
und in irgendeiner absurden Fachsprache da über 30 Seiten
Sachen erklärt werden, die ich eigentlich überhaupt gar nicht verstehe.
Eigentlich bin ich ja Charlottei, weil ich Kriminalfälle
sehr gut recherchiere, aber mittlerweile bin ich eben auch...
Also du kannst mich auch, wenn du möchtest, Doktor Charlottei nennen.
Es ist wirklich krass, wie tief ich drin bin
in medizinischen Fachbegriffen und wie viel ich weiß
über körperliche Prozesse, von denen ich vorhin noch nicht mehr wusste,
dass es da ein Prozess gibt oder von irgendwelchen Organen
oder Erkrankungen, dessen Existenz mir eben auch erst seit ein paar Tagen bewusst ist.
Aber ich bin da so tief drin und das ist teilweise ein bisschen verrückt.
Ich hab irgendwann, wann war das, Ende Sommer, also auch so rund um August, September,
hab ich ja einen neuen Arzt gefunden, einen Kardiologen, bei dem ich gelandet bin,
bei dem ich mich dann auch das erste Mal so aufgehoben gefühlt habe,
dass mir das einerseits fast ein bisschen Angst gemacht hat
und andererseits fand ich das auch sehr beeindruckend,
dass er der erste Arzt war, den ich jemals in meinem Leben getroffen habe,
der mich quasi ermutigt hat, auch dazu zu googeln.
Normalerweise sagen ja Ärzte so, ja komm, lassen sie das mal bitte bleiben
und nicht im Internet und da steht immer nur Scheiße so.
Und der war so, ey, alles gerne lesen zu dem Thema, was sie finden
und gerne alles an mich weiterleiten.
Und es fand ich auch so toll, dass der sich selber auch eingestanden hat,
nämlich im Gegensatz zu vielen anderen auch Kardiologen, die mir sagen wollten, nee.
Also nach meinem Fachbuch, was ich hier seit 30 Jahren kenne,
passt das hier alles mit ihnen nicht zusammen, dann wird das ja wohl nicht so sein,
also tschau, danke schönes Leben noch, entspannen Sie sich mal.
Und der war halt so, okay, das passt hier alles nicht zusammen,
das widerspricht sich alles, aber es gibt offensichtlich ein Problem,
was man nicht ignorieren kann und deswegen ist der total offen dafür,
sich auch darauf einzulassen, dass die Dinge viel komplizierter sind
und dass er die Dinge nicht weiß und dass er deswegen versucht,
mit mir zusammen herauszufinden, was abgeht.
Und es hat mir imponiert, sein Mut sich selber einzugestehen,
dass er ratlos ist und auf der anderen Seite hat es mich natürlich
auch noch verzweifelt gemacht, weil ich wusste, es liegt auch an mir.
Ich kann mich hier nicht zurücklehnen und sagen, ja, das ist jetzt hier
eine Kardilogie, Kurifel, der weiß alles, der wird mich schon retten,
sondern es ist so, ja, ich muss auch was tun und das mache ich halt auch.
Ich sitze nachts da und schreibe dem dann teilweise
fünfseitige E-Mails, in dem ich absurdeste Fragen stelle,
die ich selber eben nicht mal wusste, dass ich die stellen kann,
weil ich gar nicht wusste, warum es da eigentlich geht.
Ich wollte dich gerade fragen, dieses selber recherchieren.
Was macht das mit dir?
Also, bringt das dich noch mehr in so ein Verzweiflungsmodus
oder wie oft hattest du schon Momente, wo du dachtest,
ach so, ach das, und dann hat sich vielleicht daraus auch was ergeben?
Also, wohl als auch, einerseits geht es mir mal ganz, ganz schlecht
nach dem Recherchieren, also ich weiß immer, wenn ich mich jetzt
auf diese Suche begebe, es ist so schrecklich, weil vor allen Dingen
das Thema Troponien, das ist nie in einem harmlosen Kontext.
Du findest immer nur die schrecklichsten, schlimmsten Sachen
und das ist ganz gefährlich mich auf diese Suche nach dem Thema,
woher kommt das bei mir, was ist die Ursache in Bezug auf nun Covid
oder in Bezug auf die Covid-Infektion zu begeben,
weil es mich jedes Mal mit den schlimmstmöglichen Horrorszenarien
konfrontiert und deswegen habe ich ganz oft danach einfach
kleinere und größere Nervenzusammenbrüche und hab Angst,
Zustände und Weine und bin einfach nur schockiert.
Und auf der anderen Seite gibt es nämlich genau das, was du sagst,
es gibt Momente, wo ich denke, okay, krass.
Das ist doch jetzt gerade eigentlich das erste Mal ein Ansatz
und ein Hinweis, der Dinge erklären könnte.
Und dann fang ich an, wieder weiter noch in die Richtung zu recherchieren,
aber dann steht da wieder was ganz anderes, was dem widerspricht.
Und ich bin auf der Suche wie nach einem Täter,
der in meinem Körper unterwegs ist und der mir schlimme Dinge antut
und ich versuche, den zu überführen, aber es ist so schwer.
Ich hab gerade überlegt, wenn es dich interessiert,
ich kann dir mal ein Ausschnitt aus so einer E-Mail vorlesen,
die ich zum Beispiel dann schicke, nachdem ich so eine Nacht irgendwie
da gesessen habe.
Also, ich werde das jetzt hier nicht im Detail machen,
weil ich glaube, das ist auch zu anstrengend
und das versteht man dann auch gar nicht.
Aber ich glaube, das lässt vielleicht so ein bisschen erahnen,
was es mit mir macht, wenn ich das jetzt hier überhaupt finde.
Eine Sekunde mal ganz kurz.
Ich hab nur gerade gedacht, weil ich das selber so irgendwie...
Also, ich finde, es ist eine absurde Situation.
Ich hätte das ja auch niemals gedacht, dass ich mal in eine Situation komme,
in der ich da sitze, nachts und irgendwelche Sachen google
und dann versuche, herauszufinden, ist das jetzt das,
was mich seit einem Jahr krank macht?
Aber andererseits, wir haben schon mal in der anderen Folge darüber gesprochen,
dass dich ja auch teilweise dein Körpergefühl in Dingen nicht getäuscht hat,
wo Ärztinnen und Ärzte vielleicht schon gesagt haben,
ja, aber das ist ja normal dafür oder vielleicht nicht so darauf eingegangen sind
und genau das bringt einen ja dann auch dazu,
sich selber einfach nochmal über den Tellerrand zu gucken
und sich selber zu informieren, damit es genauso was halt nicht passieren kann, ne?
Also, zum Beispiel, hab ich dann sowas geschrieben wie...
Ich bin mir nicht sicher, hab ich übrigens um drei Uhr nachts abgeschickt.
Wann auch sonst?
Ja, ich hab davor nämlich erst mal alles Mögliche geschrieben
und dann hab ich geschrieben, ich bin mir nicht sicher,
ob sie nachfolgende Punkte selbst bereits in Betracht gezogen haben.
Wenn ja, verzeihen sie die Zeitverschwendung.
Wenn nicht, freue ich mich über jede noch so kleine Erkenntnis,
die uns weiterbringen kann.
Erstens, auch wenn es in vielen Punkten nicht ganz zutreffend erscheint,
haben sie in Bezug auf mich an eine Art Zytokinfreisetzungs-Syndrom
oder einen Zykotinsturm gedacht.
Und dann Zitat, Wissenschaftler vermuten, dass der Zytokinsturm
das Ergebnis einer zweiten Welle des immunologischen Geschehens sein könnte,
sichtbar daran, dass Patienten in späteren Krankenhausstadien
plötzlich eine Verschlechterung erleiden.
Nach Meinung vieler Autoren ist die rechtzeitige Kontrolle des Zytokinsturms
deshalb der Schlüssel zur Verbesserung der Behandlungserfolge
zur Senkung der Sterblichkeitsrate schwerer Covid-19-Patienten.
Und das habe ich zum Beispiel gefunden
und war so, okay, habe ich vielleicht ein Zytokinsturm.
Was ist ein Zytokinsturm?
Ja, das ist wie gesagt so eine Freisetzung
von immunologischen merkwürdigen Sachen.
Dann habe ich zum Beispiel hier,
Sie hatten ja das Thema Endothelitis in den Raum geworfen,
dazu habe ich folgenden Artikel gefunden.
Die Ergebnisse dieser Studie belegen, dass die Endothelitis
kleine epikardiale und intramyokardiale Gefäße
einen wichtigen pathogenetischen Mechanismus der Myocard-Schädigung
bei der Covid-19-Erkrankung darstellt und so weiter und so fort.
Dann frage ich, bringt uns das in irgendeiner Form weiter?
Steht da diagnostisch in dieser Hinsicht noch irgendetwas an?
Und so geht es hier einfach weiter.
Ich frage dann das Thema Gerinnungsstand zur Debatte.
Dazu habe ich im Zusammenhang mit Covid folgenden Artikel gefunden.
Das ist eine zehnseitenlange E-Mail.
Dann nächste Frage, ist es für uns diagnostisch interessant,
dass auch das LDH bei mir erhöht war.
Hat ich dir auch gesagt, hat man erst ein Jahr später gesehen,
dass dieser Wert ja auch so hoch war.
Und so weiter und so fort.
Ich lese es jetzt hier nicht alles vor, aber ich bin selber überrascht darüber.
Gleichzeitig habe ich entdeckt, dass meine Reninwerte erhöht
und der APTT und der PTT-Wert zu niedrig war
bei allen anderen Laborergebnissen, die ich gefunden habe.
Vielleicht ist das auch nicht relevant, aber da ich das Gefühl habe,
dass das bislang niemand thematisiert hat,
wollte ich es zumindest mal erwähnt haben.
Und so befinde ich mich einfach tagtäglich
und vor allen Dingen auch in den Nächten in so einer Art Rausch
durch meine ganzen Werte, durch all die Arztbriefe
und Befunde und Laborergebnisse und immer auf der Suche
nach irgendwelchen Hinweisen.
Gleichzeitig durchkram ich da diese ganzen Studien
und bin einfach wie so ein Mensch auf der unfreiwilligsten
und fürchterlichsten Mission seines Lebens,
der versucht, sich selbst zu retten,
weil das Gesundheitssystem noch nicht in der Lage ist,
mich zu retten, weil man noch nicht genug weiß.
Und antwortet der Arzt dann da drauf?
Also, wenn man so mit Ärzten spricht, wie wahnsinnig busy die sind,
nimmt er sich die Zeit?
Wie sagt er immer, aus datenschutzrechtlichen Gründen,
darf er mir leider nicht auf meine E-Mails antworten.
Das heißt, ich komme manchmal ein bisschen vor
wie eine verrückte Stalkerin, aber das ist trotzdem ganz krass.
Dieser Typ ist so ein Lichtblick in meiner ganzen Medizinhistorie.
Der ruft mich dann an und sagt mir dann auch,
Entschuldigen Sie bitte, dass ich nicht zurückgeschrieben habe.
Ich weiß, ich bin auch so, ist es schlimm,
dass ich Ihnen hier nachts 100 Meter lange E-Mails schreibe?
Und der ist so, nein, nein, nein, ist alles gut und so,
das ist gut und machen Sie das weiter und so.
Also, der ermutigt mich auch darin.
Und ich hab das Gefühl, dass es Ihnen selber richtig fertig macht.
Also, der sagt zu mir, dass er mindestens genauso sehr wissen möchte,
was bei mir los ist wie ich.
Und das gibt mir natürlich total viel Hoffnung,
auch wenn wir jetzt gerade ein bisschen Funkstille haben
in unserem Kontakt, aber es liegt auch daran,
dass ich hier sitze und warte auf diesen nächsten wichtigen MRT-Termin.
Aber es ist ganz, ganz krass.
In all den Monaten war er so der einzige, vor allen Dingen Kardiologe,
der mich so richtig aufgefangen hat und der mir das Gefühl gegeben hat,
ich lass sie jetzt hier nicht damit alleine.
Weil die anderen waren so, wie gesagt, nach Schema F,
finden wir keine Erklärung, also, tschau.
Und ich hab richtig irgendwann Angst gehabt,
dass, nachdem man dann gesagt hat, das ist es jetzt nicht,
das ist es nicht, das können wir nicht finden.
Das sehen wir nicht im MRT, da gibt es im CT keine Beweise für,
dass der mich quasi auch fallen lässt.
Und ich hab ihm das sogar gesagt, ich find das selber so verrückt,
ich sitze vor einem Arzt und sage, ich hab Angst, dass sie mich...
Schluss mit mir machen.
Genau, so klingt das ja so ein bisschen.
Schreibt mir jetzt so viele Mails.
Ja, es klingt ja wirklich nach einer Beziehung irgendwie
auch eine komische Art, aber dass ich da sitze und den anflehe,
bitte lassen sie mich nicht alleine damit.
Bitte lassen sie mich nicht stehen, weil was ist,
wenn es jetzt doch nichts direkt kardiologisch ist,
sondern wenn es eher mit einem anderen Fachbereich
und dann lässt er mich alleine und ich komm wieder an irgendein Arzt,
der mich nicht ernst genug nimmt.
Aber der hat mir bislang die ganze Zeit das Gefühl gegeben,
auch so in Phasen, in denen es dann eben noch schlechter und schlechter wurde,
hat der mir gesagt, in diesen Nächten hab ich in der Notaufnahme
als Kardiologe Dienst und wenn ihre Beschwerden schlimmer werden,
dann kommen sie dann, weil dann kann ich direkt mich um sie kümmern und so.
Und deswegen, ich bin super, super glücklich, dass ich den habe.
Und gleichzeitig...
Fickt es natürlich trotzdem weiterhin permanent, mein Kopf,
dass ich das Gefühl habe, ich kann mich nicht auf das verlassen,
dass man immer so sein Leben lang gelernt hat,
dass man einfach darauf vertraut,
was diese studierten Menschen, die Ärztinnen und Ärzte geworden sind,
um uns retten, dass man da einfach hingehen kann und sagen kann,
bitte helfen sie mir und dann wird einem geholfen,
weil diese Leute selber noch nicht wissen, wie sie helfen können,
weil sie noch nicht das Ausmaß dieser Erkrankung kennen.
Und das ist einfach nur fürchterlich.
Das ist wirklich das Schlimmste daran von allem.
Das ist für mich schlimmer als alle Symptome,
schlimmer als alle Schmerzen, die ich habe.
Diese Ungewissheit ist das aller, aller Schlimmste für mich.
Das macht mich komplett krank.
Und sagen wir mal, kleiner Themensprung, jetzt passend aber zu der Zeit,
hattest du ja quasi dein einjähriges Covid-Jubiläum.
Ja, ja.
Und auch gar nicht so gute Nachrichten zu dem Zeitpunkt, richtig?
Ja.
Genau, an dem Tag war ich dann auch eben wieder in der Charité
und eigentlich sollte auch so ein Belastungs-EKG und so gemacht werden.
Und es war aber schon da so, dass meine Troponienwerte wieder so hoch waren,
dass die fast auf dem Level waren wie im Dezember 2021,
also kurz nach der Infektion.
Und an dem Tag hat dann der Kardiologe eben bei mir ein Herz-Echo gemacht.
Und bis dato war es ja immer so, was ja auch ein gutes Zeichen ist,
dass man im Herz-Echo nie irgendwas gesehen hat.
Es war immer so, nee, beim Herz-Echo sieht alles gut aus.
Und da, was zum ersten Mal so das er gesagt hat,
hier ist so ein Bereich, ich glaube, er war sich auch nicht 100% sicher,
aber es sah so ein bisschen so aus,
als wenn der Bereich nicht komplett so gut durchblutet ist wie andere Bereiche.
Und das hat mir so dann auch noch mal quasi im metaphorischen Sinne
das Herz gebrochen, weil es einfach genau ein Jahr her war,
dass dieser PCR-Test positiv war und dass ich einfach den Beginn
des größten Horrors meines Lebens erlebt habe.
Und ich ein Jahr später der Liege und der Arzt sagt, ja, Mist,
also ich glaube, wir sehen jetzt hier doch was.
Was bedeutet nach einem Jahr der Schädigung meines Herzens,
was noch keinen sichtbaren Schaden zumindest nicht von der Optik her,
was das Blut betrifft, sieht man ja die ganze Zeit den Schaden,
weil sonst würden keine Herzmuskezellen abstärben
und dieses Troponin, wenn ich da, aber dass man es dann auch gesehen hat,
das hat mir so viel Hoffnung und so viel Optimismus genommen
und das hat einfach mich, glaube ich, an diesem Tag
richtig krass resignieren lassen, weil ich dachte wirklich,
ich habe jetzt ein Jahr lang gekämpft
und ich habe ein Jahr lang einfach nur immer die Hoffnung gehabt,
es wird irgendwann besser und jetzt wird es schlechter.
Und ich kann mich genau daran erinnern,
dass ich wirklich auf dem Rückweg von diesem Termin
ich habe einfach nur noch, ich habe im Auto gesessen
und ich habe nur noch geweint und ich wusste auch genau,
er hat mir das da schon gesagt, dass jetzt echt vieles ansteht
und dass jetzt echt viele Untersuchungen anstehen
und das war eigentlich nochmal der Beginn von den,
vielleicht sogar, wirklich, also ja, doch, wenn ich überlege,
weil stimmt, das war ja November, Dezember 2021 waren
die schlimmsten Monate meines Lebens bis dato,
aber November und Dezember 2022 waren mindestens genauso schlimm.
Also, es gehört auch mit zur Top 3 des schlimmsten Phasen
meines gesamten Lebens und das war der Beginn davon.
Ich habe ein relativ langes Zitat von dir, von Instagram,
aus dieser Zeit, also so um deinen Jubiläum herum,
das hast du damals gepostet, das ist relativ lang,
ich lese dir das mal vor, hätte mir jemand von ein paar Jahren
prophezeit, dass ich mal innerhalb eines Monats mit Verdacht
auf zwei akut lebensbedrohliche Erkrankungen,
den Großteil meiner Zeit in Notaufnahmen
und bei Untersuchungen im Krankenhaus verbringen würde,
mit alarmierenden Blutwerten und immer schlimmer werdenden Symptomen,
inklusive täglichen Prokampunkten wie Herz-MAT, Lung-CT,
Kontrastmittel, Röntgen, Ergometrie, Sonografien, Langzeit-EKG,
Venenkathetern, Echokardiografien und so weiter
und das alles, nachdem ich schon ein Jahr krank sein
mit einem Haufen Medikamenten und Arztmarathon hinter mir habe
und nebenbei noch damit beschäftigt bin,
das 24-7-Management einer unheilbaren Autoimmunerkrankung zu lernen,
die beinhaltet, dass ich mir zum Überleben
vier bis achtmal täglich Insulin spritzen muss,
dann hätte ich sehr, sehr viel Geld darauf verwettet,
dass ich das nicht packe, definitiv nicht.
Du hast es geschafft.
Ja, also...
Und das, was ich davor gelesen habe,
das sind so viele Sachen, von denen du noch überhaupt nicht erzählt hast.
Wie du das schaffst, mental und körperlich,
das besprechen wir in der letzten Folge Fighting Long Covid.
Endlich reden wir über mein Lieblingsthema, Resilienz.
Unbedingt.
Brauche ich auch, ehrlich gesagt, jetzt auch schon wieder
für die nächsten Tage, bevor wir uns widersprechen.
Wir machen dann bitte eine Übungseinheit,
damit wir das alle auch lernen können.
Ich bringe euch das allen bei.
Danke, Lottie.
Und damit geht es jetzt schon auf die letzte Folge von Fighting Long Covid zu.
Spoiler vorab.
Wieservie sucht immer noch nach Antworten
für ihre gesundheitlichen Einschränkungen.
Was ihr weiter Kraft und Hoffnung gibt
und was sie sich für die Zukunft wünscht,
hört ihr nächste Woche in der ARD-Audiothek
und überall, wo es Podcasts gibt.
Und wenn ihr bis hierhin zugehört habt,
dann ist der Podcastsstudio komplex vielleicht auch was für euch.
Jede Woche schauen die auf ein neues Thema
mit einer krawalligen These,
die gemeinsam mit den Gästen auseinander genommen wird.
Das klingt meist lustiger,
als ihr jetzt denkt.
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Auch ein Jahr nach ihrer Corona-Infektion geht es Visa Vie weiterhin sehr schlecht. Zum "Corona-Jubiläum" im November 2022 gibt es für sie einen neuen, schlimmen Befund. Visa Vie flüchtet sich in nächtelange Recherchen, sucht nach Studien und möglichen Ursachen für ihre Folge-Erkrankungen. Findet sie Antworten, die ihr Ärtzinnen und Ärzte bisher nicht geben können? Das hört Ihr in Folge 6 von "Fighting Long Covid".